Betriebsratsmitglied: Freistellung (§ 38 BetrVG)

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Betriebsräte sollen Betriebsratstätigkeiten während der Arbeitszeit erledigen. Betriebsräte sind deshalb von der Arbeit befreit, wenn und solange sie Betriebsratstätigkeiten erledigen (Arbeitsbefreiung). Ab einer bestimmten Betriebsgröße wird darüber hinaus eine bestimmte Anzahl von Betriebsratsmitgliedern ganz von der Arbeit freigestellt.

Hier finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Freistellung von Betriebsräten.

Text: Dr. Kluge Rechtsanwälte, Fachanwälte für Arbeitsrecht, Hannover

Arten der Freistellung von Betriebsräten

Die Freistellung von Betriebsräten ist in § 38 BetrVG gesetzlich geregelt. Nach dieser Vorschrift sind bei einer bestimmten Anzahl von Arbeitnehmern im Betrieb eine bestimmte Anzahl von Betriebsatsmitgliedern von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen.

Es gibt zwei verschiedene Arten der Freistellung von Betriebsräten von der Arbeit:

  • die Freistellung in vollem Umfang der Arbeitszeit (Vollfreistellung)
  • die Freistellung für einen Teil der Arbeitszeit (Teilfreistellung)

Von der Freistellung zu unterscheiden ist der Anspruch von nicht freigestellten Betriebsräten auf Arbeitsbefreiung. Nicht freigestellte Betriebsräte sind vorübergehend von der Arbeit befreit, wenn sie Betriebsratstätigkeiten erledigen müssen oder wollen. Weitere Informationen zur vorübergehenden Arbeitsbefreiung von Betriebsräten finden Sie hier.

Freistellung in vollem Umfang der Arbeitszeit (Vollfreistellung)

Während „normale“ Betriebsratsmitglieder immer nur bei einem konkreten Anlass und vorübergehend von der Arbeit befreit sind, wenn sie Betriebsratsaufgaben erledigen wollen, sind freigestellte Betriebsratsmitglieder generell und dauerhaft von der Arbeit befreit. Die weitestgehende Freistellungsmöglichkeit ist dabei die generelle Freistellung von der Arbeit in vollem Umfang der persönlichen Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds. Ein derart freigestelltes Betriebsratsmitglied muss überhaupt keine Arbeitsleistung mehr für den Arbeitgeber erbringen. Es muss nur noch Betriebsratstätigkeiten erledigen. Diese Art der Freistellung wird auch als Vollfreistellung bezeichnet.

Freistellung für einen Teil der Arbeitszeit (Teilfreistellung)

Betriebsratsmitglieder können aber auch mit nur einem Teil ihrer Arbeitszeit von der Arbeit freigestellt werden, um in dieser Zeit Betriebsratstätigkeiten erledigen zu können (z.B. stundenweise Freistellung an bestimmten Tagen). Dann spricht man von einer Teilfreistellung.

Beispiel

Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbaren, dass der Betriebsratsvorsitzende Herr Müller generell an jedem Mittwoch von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr von der Arbeit freigestellt ist, um in diesem Zeitraum Betriebsratsaufgaben zu erledigen.

Abmeldung und Rückmeldung

Nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen sich bei ihren Vorgesetzten abmelden, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlassen wollen, um Betriebsratsaufgaben zu erledigen. Nach der Erledigung der Betriebsratsaufgaben müsssen sie sich wieder zurückmelden.

Freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen sich dagegen grundsätzlich nicht abmelden. Denn sie unterliegen keiner Arbeitspflicht und verlassen deshalb nicht ihren Arbeitsplatz, um Betriebsratsaufgaben auszuüben.

Wenn freigestellte Betriebsratsmitglieder aber den Betrieb verlassen, um Betriebsratsaufgaben an einem Ort außerhalb des Betriebs wahrzunehmen, müssen sie sich beim Arbeitgeber abmelden und dabei auch die voraussichtliche Dauer ihrer Abwesenheit mitteilen. Und nach ihrer Rückkehr in den Betrieb müssen Sie sich wieder zurückmelden. Sie müssen aber keine Angaben dazu machen, welche Art von Betriebsratstätigkeit sie außerhalb des Betriebs erledigen wollen und an welchem Ort.

Grund für die Abmeldepflicht von freigestellten Betriebsratsmitgliedern bei Verlassen des Betriebs ist, dass der Arbeitgeber daran interessiert sein kann, zu erfahren, dass ein freigestelltes Betriebsratsmitgliede als Ansprechpartner vorübergehend nicht im Betrieb zur Verfügung steht.

Anspruch auf Bezahlung des Gehalts

Betriebsräten ist für die Zeit der Freistellung das Arbeitsentgelt zu zahlen, das sie erhalten würden, wenn sie in dieser Zeit gearbeitet hätten (Lohnausfallprinzip). Denn die Ausübung von Betriebsratstätigkeiten darf nicht dazu führen, dass Betriebsratsmitglieder am Ende des Monats weniger Geld bekommen. Betriebsratsmitglieder sollen durch ihre Betriebsratstätigkeit keinen Nachteil erleiden.

Neben dem Grundlohn sind auch sämtliche sonstigen Gehaltsbestandteile zu zahlen, die das Betriebsratsmitglied erhalten würde, wenn es gearbeitet hätte. Dazu gehören sämtliche Zulagen und Zuschläge wie z.B.

  • Überstunden- und Mehrarbeitszuschläge,
  • Nachtzuschläge und Nachtschichtzulagen,
  • Sonn- und Feiertagszuschläge,
  • Erschwerniszulagen,
  • Leistungszulagen,
  • Sozialzulagen.

Außerdem haben freigestellte Betriebsräte einen ungekürzten Anspruch auf sämtliche sonstigen Lohnbestandteile wie z.B.

  • Urlaubsgeld,
  • Weihnachtsgeld,
  • sonstige Gratifikationen,
  • vermögenswirksame Leistungen,
  • Anwesenheitsprämien,
  • Sonderzahlungen,
  • Gewinnbeteiligungen,
  • Provisionen.

Zum Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers gehört auch die Möglichkeit der privaten Nutzung eines vom Arbeitgeber überlassenen Dienstwagens. Wenn einem Betriebsratsmitglied als Arbeitnehmer die private Nutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens vertraglich eingeräumt ist, steht ihm diese auch während der Freistellung von der Arbeit zu.

Weitere Informationen zum Gehaltsanspruch von freigestellten Betriebsratsmitgliedern finden Sie hier.

Anzahl der Freistellungen

Ab einer Anzahl von mindestens 200 Mitarbeitern im Betrieb muss der Arbeitgeber eine bestimmte Anzahl an Betriebsratsmitgliedern generell und vollständig von der Arbeit freistellen. Dies schreibt § 38 BetrVG vor. Das Gesetz geht davon aus, dass in Betrieben ab einer Anzahl von 200 Mitarbeitern generell Betriebsratstätigkeiten in einem Umfang anfallen, der die volle Freistellung von Betriebsratsmitgliedern erforderlich macht.

Wie viele Betriebsräte sind freizustellen?

Die Anzahl der in vollem Umfang von der Arbeit freizustellenden Betriebsratsmitglieder richtet sich nach der Anzahl der in der Regel im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer.

Anzahl nach Arbeitnehmern im Betrieb

Die Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder ergibt sich aus der folgenden Tabelle:

Anzahl der Arbeitnehmer im Betrieb Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder
200 bis 500 1
501 bis 900 2
901 bis 1500 3
1501 bis 2000 4
2001 bis 3000 5
3001 bis 4000 6
4001 bis 5000 7
5001 bis 6000 8
6001 bis 7000 9
7001 bis 8000 10
8001 bis 9000 11
8001 bis 10000 12
> 10000 12 + 1 für je angefangene weitere 2000 Arbeitnehmer

Für die Feststellung der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ist der Zeitpunkt entscheidend, in dem die freizustellenden Betriebsratsmitglieder gewählt werden. Wenn die Anzahl der Arbeitnehmer in diesem Zeitpunkt aufgrund außergewöhnlicher Umstände vorübergehend erhöht oder verringert ist, wird die nicht berücksichtigt. Denn es kommt nach § 38 BetrVG auf die “in der Regel” beschäftigten Arbeitnehmer an.

Bei der Berechnung der Anzahl der im Betrieb beschäftigen Arbeitnehmern sind auch mitzuzählen:

  • Teilzeitkräfte
  • Leiharbeitnehmer
  • jugendliche Arbeitnehmer
  • Heimarbeiter
  • Arbeitnehmer in zum Betrieb gehörenden Betriebsteilen und Kleinstbetrieben

Mitarbeiter in Teilzeit zählen bei der Berechnung nach Köpfen mit und nicht nur entsprechend dem Anteil ihrer Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitnehmers.

Anzahl nach Betriebsratsgröße

Im Gesetz ist die Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder in Abhängigkeit von der Zahl der Mitarbeiter des Betriebs festgelegt. Da die Größe des Betriebsrats aber ebenfalls von der Zahl der Mitarbeiter abhängt, lässt sich die Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder auch in Relation zur Größe des Betriebsratsgremiums darstellen:

Betriebsratsgröße (Anzahl Betriebsratsmitglieder) Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder
1
3
5
7
9 1
11 1 bis 2
13 2 bis 3
15 3
17 4
19 5
21 5
23 6
25 6
27 7
29 7
31 8
33 9
35 10

Was ist, wenn sich die Anzahl der Mitarbeiter ändert?

Die Anzahl der nach § 38 BetrVG von der Arbeit freizustellenden Betriebsratsmitglieder hängt von der Anzahl der Arbeitnehmer im Betrieb ab. Wenn sich diese Anzahl während der Amtszeit des Betriebsrats so erhöht, dass der nächsthöhere Schwellenwert erreicht wird, hat der Betriebsrat Anspruch auf eine weitere Freistellung.

Umgekehrt verliert der Betriebsrat eine Freistellung, wenn die Mitarbeiterzahl während seiner Amtszeit unter den Schwellenwert sinkt, der im Zeitpunkt der Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder erreicht wurde.

Voraussetzung für eine Änderung der Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder ist aber, dass sich die Anzahl der Mitarbeiter nicht nur vorübergehend geändert hat. Denn es kommt nach § 38 BetrVG auf die Anzahl der “in der Regel” beschäftigten Arbeitnehmer an.

Sind zusätzliche Freistellungen möglich?

Bei der in § 38 BetrVG festgelegten Anzahl an freizustellenden Betriebsratsmitgliedern handelt es sich um die Mindestzahl an Freistellungen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, mindestens diese Zahl an Betriebsratsmitgliedern freizustellen. Die freiwillige Freistellung zusätzlicher Betriebsratsmitglieder durch den Arbeitgeber ist selbstverständlich immer möglich.

Der Betriebsrat kann aber auch das Recht haben, vom Arbeitgeber mehr Freistellungen als in § 38 BetrVG festgelegt zu verlangen. Voraussetzung dafür ist, dass die Zahl der nach § 38 BetrVG freizustellenden Betriebsratsmitglieder zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats nicht ausreicht. Dies kann beispielsweise bei Vorliegen betrieblicher Besonderheiten (z.B. Vielzahl von Außenstellen,Schichtbetrieb) oder bei dem längeren Ausfall eines voll freigestellten Betriebsratsmitglieds der Fall sein.

Freistellung in Betrieben mit unter 200 Mitarbeitern

Nach § 38 BetrVG muss ein Arbeitgeber erst ab einer Anzahl von 200 Mitarbeitern Betriebsratsmitglieder generell von der Arbeit freistellen.

Auch in Betrieben mit weniger als 200 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat aber das Recht auf eine (zumindest teilweise) Freistellung eines Betriebsratsmitglieds von der Arbeit haben. Die Voraussetzungen dafür sind:

  1. Es müssen regelmäßig Betriebsratstätigkeiten in einem zeitlichen Umfang anfallen, der pauschal bestimmt werden kann.
  2. Die Freistellung ist zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratsaufgaben erforderlich.

Aufteilung einer Freistellung auf mehrere Betriebsratsmitglieder (Teilfreistellung)

In § 38 BetrVG ist festgelegt, wie viele Betriebsratsmitglieder im vollen Umfang ihrer Arbeitszeit freigestellt werden müssen. Die Vorschrift bezieht sich dabei auf Vollzeitbeschäftigte. Beträgt z.B. die wöchentliche Arbeitszeit in einem Betrieb mit 200 Arbeitnehmern 40 Stunden, ist ein Betriebsratsmitglied in einem Umfang von 40 Stunden pro Woche von der Arbeit freizustellen.

Der Betriebsrat kann eine Vollfreistellung auch auf mehrere Betriebsratsmitglieder aufteilen und diese so in mehrere teilweise Freistellungen splitten. Man spricht dann von Teilfreistellungen. Eine Vollfreistellung kann z.B. so aufgeteilt werden, dass zwei in Vollzeit beschäftigte Betriebsratsmitglieder jeweils eine halbe Freistellung bekommen. Diese Betriebsratsmitglieder wären dann also noch mit der Hälfte ihrer Arbeitszeit zur Arbeitsleistung verpflichtet. Die andere Hälfte ihrer Arbeitszeit könnten sie für Betriebsratstätigkeiten aufwenden.

Verfahren zur Freistellung von Betriebsräten

Anders als im Fall der Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG tritt die Freistellung nach § 38 BetrVG nicht automatisch ein.

Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder müssen zunächst vom Betriebsrat gewählt und dann vom Arbeitgeber durch eine entsprechende Erklärung freigestellt werden.

Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder

Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder werden von den Betriebsratsmitgliedern auf einer Betriebsratssitzung gewählt. Die Wahl wird von dem Betriebsratsvorsitzenden geleitet.

Vor der Wahl muss der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber über die freizustellenden Betriebsratsmitglieder beraten. Der Arbeitgeber soll dadurch die Möglichkeit bekommen, Bedenken gegen die Freistellung bestimmter Betriebsratsmitglieder zu äußern. Allerdings können dann später auch solche Betriebsratsmitglieder für eine Freistellung vorgeschlagen und gewählt werden, bei denen der Arbeitgeber Bedenken geäußert hat.

Zur Freistellung gewählt werden können nur Betriebsratsmitglieder, keine anderen Arbeitnehmer. Auch Ersatzmitglieder können nicht gewählt werden, es sei denn, es handelt es sich um ein Ersatzmitglied, das dauerhaft für ein ausgeschiedenes Betriebsratsmitglied in den Betriebsrat nachgerückt ist (“Nachrücker”).

Die Kandidatur eines Betriebsratsmitglieds zur Freistellungswahl setzt voraus, dass das Mitglied damit einverstanden ist. Das Einverständnis des Betriebsratsmitglieds muss vor der Wahl vorliegen.

Die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder erfolgt auf Grund von Wahlvorschlägen. Wahlvorschläge können nur Betriebsratsmitglieder einreichen. Ein Wahlvorschlag kann aus einem einzelnen Betriebsratsratsglied oder einer Liste mit mehreren Betriebsratsmitgliedern bestehen. Für einen gültigen Wahlvorschlag ist es nicht erforderlich, dass dieser von einer bestimmten Mindestzahl von Betriebsratsmitgliedern eingereicht wird. Auch ein einzelnes Betriebsratsmitglied kann einen gültigen Wahlvorschlag einreichen und sich z.B. selbst zur Wahl vorschlagen.

Die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder erfolgt dann geheim unter Verwendung von Stimmzetteln. An der Wahl müssen mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder teilnehmen.

Wenn nur eine Vorschlagsliste vorliegt oder wenn nur ein Betriebsratsmitglied zu wählen ist, erfolgt die Wahl als Mehrheitswahl. Die Betriebsratsmitglieder geben ihre Stimmen dann direkt für den Kandidaten ab, den sie wählen wollen. Gewählt sind die Bewerber, die die meisten Stimmen erhalten haben.

Wenn mehrere gesonderte Wahlvorschläge (Wahlvorschlagslisten) vorliegen, erfolgt die Wahl nach den Grundsätzen einer Verhältniswahl (Listenwahl). Die Betriebsratsmitglieder können dann nur eine der Listen als solche wählen. Die Bestimmung der zur Freistellung gewählten Betriebsratsmitglieder richtet sich nach dem Höchstzahlensystem nach d´Hondt (d´Hondtsches Höchstzahlensystem). Dabei wird die Anzahl der Stimmen, die auf die einzelnen Listen entfallen, zuerst durch 1, anschließend durch 2, danach durch 3 usw. geteilt. Die zu vergebenden Freistellungen werden dann entsprechend der Anzahl der sich dabei ergebenden Höchstzahlen auf die Listen verteilt. Jede Liste erhält so viele Freistellungen wie Höchstzahlen auf sie entfallen. Innerhalb einer Liste werden die zu vergebenden Freistellungen dann nach der Reihenfolge verteilt, in der die Bewerber auf der jeweiligen Liste stehen.

Beispiel

Es gibt zwei Listen und es sind drei Kandidaten zu wählen. Auf die Liste ver.di entfallen 9 Stimmen und auf die Liste Die Unabhängigen 6 Stimmen.

Liste “ver.di” Liste “Die Unabhängigen”
9 : 1 = 9 6 : 1 = 6
9 : 2 = 4,5 6 : 2 = 3
9 : 3 = 3 6 : 3 = 2

Die drei Höchstzahlen sind 9, 6 und 4,5. Auf die Liste ver.di entfallen davon zwei Höchstzahlen (9 und 4,5), sie erhält also zwei Freistellungen. Auf die Liste Die Unabhängigen entfällt eine Höchstzahl (6), sie erhält daher eine Freistellung. Damit sind die ersten beiden Kandidaten der Liste „ver.di“ und der erste Kandidat der Liste „Die Unabhängigen“ zur Freistellung gewählt.

Die Anzahl der zu verteilenden Höchstzahlen richtet sich nach der Anzahl der tatsächlich freizustellenden Betriebsratsmitglieder unter Berücksichtigung sämtlicher Voll- und Teilfreistellungen.

Beispiel

In dem obigen Beispiel hat der Betriebsrat beschlossen, dass von den ihm zustehenden drei Vollfreistellungen eine Vollfreistellung in zwei Teilfreistellungen aufgeteilt werden soll. In diesem Fall sind vier freizustellende Betriebsratsmitglieder zu wählen und damit auch vier Höchstzahlen auf die beiden Listen zu verteilen. Da die vierte Höchstzahl die 3 ist und beide Listen diese Höchstzahl aufweisen, entscheidet das Los, auf welche Liste die vierte Freistellung entfällt.

Verfahren nach der Wahl

Der Betriebsrat legt mit der Wahl nur fest, welche Betriebsratsmitglieder generell von der Arbeit freigestellt werden sollen. Die tatsächliche Freistellung erfolgt erst durch den Arbeitgeber. Dazu muss Arbeitgeber eine entsprechende Erklärung abgeben.

Damit der Arbeitgeber die gewählten Betriebsratsmitglieder freistellen kann, muss der Betriebsrat dem Arbeitgeber deren Namen mitteilen. Stimmt der Arbeitgeber daraufhin der Freistellung der benannten Betriebsratsmitglieder zu, sind diese ab diesem Zeitpunkt freigestellt.

Ist der Arbeitgeber mit der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds nicht einverstanden, kann er versuchen, die Freistellung zu verhindern. Dazu muss er innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Namens des Freizustellenden die Einigungsstelle anrufen. Dann muss die Einigungsstelle über die Freistellung entscheiden.

Erklärt der Arbeitgeber nicht sein Einverständnis mit einer Freistellung, ruft er aber auch nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist die Einigungsstelle an, gilt sein Einverständnis als erteilt. Das Betriebsratsmitglied ist dann nach Ablauf der Frist freigestellt.

Erklärt der Arbeitgeber nicht sein Einverständnis mit der Freistellung und ruft er fristgemäß die Einigungsstelle an, weil er ein Betriebsratsmitglied nicht freistellen will, ist dieses Mitglied (noch) nicht freigestellt. Der Betriebsrat hat dann aber bei vorliegender Eilbedürftigkeit die Möglichkeit, die Freistellung vorläufig durch eine einstweilige Verfügung gerichtlich durchzusetzen.

Das Verfahren vor der Einigungsstelle

Wenn der Arbeitgeber ein vom Betriebsrat zur Freistellung gewähltes Betriebsratsmitglied nicht freistellen will, kann er die Einigungsstelle anrufen. Dazu hat er ab der Bekanntgabe des Namens des freizustellenden Betriebsratsmitglied zwei Wochen Zeit. Der Arbeitgeber wahrt diese Frist, wenn er innerhalb von zwei Wochen beim Betriebsrat beantragt, eine Einigungsstelle zur Überprüfung der Freistellung zu bilden. Versäumt er die Zwei-Wochen-Frist, kann er die Freistellung nicht mehr verhindern.

Die Einigungsstelle prüft, ob die vom Arbeitgeber angegriffene Freistellung “sachlich nicht vertretbar” ist. Ist dies der Fall, wird das entsprechende Betriebsratsmitglied nicht freigestellt. Bei Prüfung der Frage, ob eine Freistellung sachlich nicht vertretbar ist, gelten strenge Maßstäbe. Eine Freistellung ist nur dann sachlich nicht vertretbar, wenn ihr zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen. Dabei sind nur wirklich zwingende Gründe zu berücksichtigen. Eine Erschwerung des Betriebsablaufs allein genügt ebenso wenig wie bloße Unannehmlichkeiten für den Arbeitgeber.

Entscheidet die Einigungsstelle, dass die Freistellung sachlich nicht vertretbar ist, hat sie ein anderes Betriebsratsmitglied zu bestimmen, das anstelle des vom Betriebsrat gewählten Mitglieds freigestellt wird.

Kommt die Einigungsstelle dagegen zu dem Ergebnis, dass die Freistellung sachlich vertretbar ist, ist das Betriebsratmitglied mit der entsprechenden Entscheidung der Einigungsstelle freigestellt.

Ausfall eines freigestellten Betriebsratsmitglieds

Wenn ein generell von der Arbeit freigestelltes Betriebsratsmitglied vorübergehend oder dauerhaft ausfällt, kann der Betriebsrat gegen den Arbeitgeber das Recht auf eine Ersatzfreistellung haben. Voraussetzung ist, dass die Ersatzfreistellung für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist. Ist dies der Fall, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser ein anderes Betriebsratsmitglied wie das ausgefallene Mitglied generell von der Arbeit freistellt.

Wann endet die Freistellung eines Betriebsrats?

Die generelle Freistellung eines Betriebsratsmitglieds erfolgt in der Regel für die gesamte Amtszeit des Betriebsrats. Sie endet also erst mit dem Ablauf der Amtszeit.

Eine Freistellung kann aber auch vorher enden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Betriebsratsmitglied nicht mehr freigestellt sein möchte. Die Freistellung endet dann, wenn das Betriebsratsmitglied erklärt, nicht mehr freigestellt sein zu wollen. Juristisch gesehen handelt des sich dabei um den Widerruf des Einverständnisses des Betriebsratsmitglieds mit seiner Freistellung. Allerdings kann das Betriebsratsmitglied unter Umständen verpflichtet sein, die Freistellung noch für eine gewisse Zeit fortzuführen, falls dies erforderlich sein sollte.

Des Weiteren kann einem Betriebsratsmitglied die Freistellung durch seine Abberufung durch den Betriebsrat entzogen werden. Ein besonderer Grund für die Abberufung muss nicht vorliegen. Allerdings setzt die Abberufung einen entsprechenden Beschluss des Betriebsrats voraus. Welche Mehrheit für einen solchen Beschluss erforderlich ist, hängt davon ab, ob die Wahl zur Freistellung als Mehrheitswahl oder als Verhältniswahl stattgefunden hat. Im Falle der Mehrheitswahl genügt die einfache Mehrheit, um einem Betriebsratsmitglied die Freistellung zu entziehen. Ist die Wahl als Verhältniswahl erfolgt, ist für die Abberufung eine qualifizierte Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen des Betriebsrats erforderlich.

Video: Betriebsrat- Freistellung und Arbeitsbefreiung

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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