Gemeinschaftsbetrieb / gemeinsamer Betrieb

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Ein Betrieb gehört normalerweise einem Unternehmen allein. Es können aber auch mehrere Unternehmen zusammen einen Betrieb führen. Man spricht dann von einem gemeinsamen Betrieb oder auch von einem Gemeinschaftsbetrieb.

Ein Betrieb gehört normalerweise einem Unternehmen allein. Es können aber auch mehrere Unternehmen zusammen einen Betrieb führen. Man spricht dann von einem gemeinsamen Betrieb oder auch von einem Gemeinschaftsbetrieb.

Was ist ein Gemeinschaftsbetrieb?

Ein Gemeinschaftsbetrieb ist ein gemeinsamer Betrieb mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). In einem Gemeinschaftsbetrieb gibt es also mindestens zwei verschiedene Unternehmen, die formal betrachtet Arbeitgeber sein können. Die in einem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer haben einen Arbeitsvertrag aber in der Regel nur mit einem der an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen.

Man bezeichnet das Unternehmen, das in einem Gemeinschaftsbetrieb der Vertragspartner eines Arbeitnehmers ist, auch als „Vertragsarbeitgeber“. Die Gesamtheit der an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen kann man als Trägerunternehmen oder auch als „Betriebsarbeitgeber“ bezeichnen.

Voraussetzungen für das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs

Die Frage, ob ein Gemeinschaftsbetrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes besteht, lässt sich häufig gar nicht so leicht beantworten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt ein Gemeinschaftsbetrieb vor,

wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird“.

Das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs setzt also voraus, dass der Betrieb von den beteiligten Unternehmen einheitlich organisiert und geleitet wird. Dabei müssen die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen für die beteiligten Unternehmen von einem einheitlichen Leitungsapparat wahrgenommen werden. Eine bloße Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen reicht dafür noch nicht aus. Es muss darüber hinaus einen arbeitgeberübergreifenden Personaleinsatz geben, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist. Ein besonders gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines gemeinsamen Leitungsapparats ist das Besehen einer gemeinsamen Personalabteilung, die die Entscheidungen in wesentlichen personellen Angelegenheiten (z.B. über Einstellungen und Versetzungen) und sozialen Angelegenheiten (z.B. zur Arbeitszeit) trifft.

Kein Gemeinschaftsbetrieb liegt vor, wenn in einem Betrieb zwar Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen eingesetzt werden, die Steuerung des Personaleinsatzes und die Nutzung der Betriebsmittel aber nur durch ein Unternehmen erfolgt (z.B. wie im Fall einer bloßen Arbeitnehmerüberlassung/Leiharbeit).

Der für das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs erforderliche einheitliche Leitungsapparat setzt das Bestehen einer Führungsvereinbarung zwischen den beteiligten Unternehmen voraus. Diese Führungsvereinbarung muss nicht ausdrücklich abgeschlossen worden sein, sie kann sich auch aus den Umständen ergeben. Das Bestehen eines einheitlichen Leitungsapparats mitsamt einer Führungsvereinbarung der beteiligten Unternehmen wird gesetzlich vermutet, wenn die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG).

Ansonsten können z.B. die folgenden Umstände für einen einheitlichen Leitungsapparats und eine Führungsvereinbarung der beteiligten Unternehmen sprechen:

  • gemeinsame räumliche Unterbringung der Arbeitnehmer
  • gleiche Arbeitszeiten der Arbeitnehmer
  • Personenidentität der Geschäftsführer
  • gemeinsame Personalabteilung
  • gemeinsame Buchhaltung
  • gemeinsames Sekretariat
  • Personenidentität des Datenschutzbeauftragten

Gemeinschaftsbetrieb = Betrieb im Sinne des BetrVG

Ein Gemeinschaftsbetrieb ist ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, für den ein Betriebsrat gewählt werden kann (§ 1 Abs. 2 BetrVG).

In einem Gemeinschaftsbetrieb gibt es nur einen Betriebsrat, der für den gesamten Gemeinschaftsbetrieb und für alle Arbeitnehmer dieses Betriebs zuständig ist, unabhängig davon, wer der Vertragsarbeitgeber der einzelnen Arbeitnehmer ist. Alle Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und sonstiger Gesetze, die für einen Betriebsrat gelten, gelten grundsätzlich auch für den Betriebsrat eines Gemeinschaftsbetriebs.

Die Anzahl der Betriebsratsmitglieder eines Betriebsrats eines Gemeinschaftsbetriebs richtet sich ganz normal nach § 9 BetrVG und damit nach der Anzahl der insgesamt in dem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer.

Der Betriebsrat eines Gemeinschaftsbetriebs entsendet eines bzw. zwei seiner Mitglieder in jeden bei den Trägerunternehmen errichteten Gesamtbetriebsrat (§ 47 Abs. 2 BetrVG).

Wem gegenüber bestehen die Rechte des Betriebsrats in einem Gemeinschaftsbetrieb?

In einem Gemeinschaftsbetrieb gibt es nur einen Betriebsrat, der für den gesamten Betrieb zuständig ist. Es gibt aber mehrere Arbeitgeber. Deshalb stellt sich in einem Gemeinschaftsbetrieb die Frage, wer auf der Arbeitgeberseite der richtige Ansprechpartner für den Betriebsrat ist bzw. wem gegenüber dem Betriebsrat die Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz zustehen. In Betracht kommen entweder die einzelnen am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeber jeweils für sich genommen (= die einzelnen Vertragsarbeitgeber) oder aber die Gesamtheit der Arbeitgeber, die den Betrieb gemeinsam führen (= der Betriebsarbeitgeber).

Da ein Gemeinschaftsbetrieb einen einheitlichen Leitungsapparat hat, ist Ansprechpartner des Betriebsrats auf der Arbeitgeberseite grundsätzlich diese Betriebsleitung. Ein Betriebsrat macht deshalb zunächst einmal nichts falsch, wenn er sich in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen an die Betriebsleitung wendet. Er kann erst einmal davon ausgehen, dass die gemeinsame Betriebsleitung für die Entgegennahme von Erklärungen des Betriebsrats auch dann zuständig ist, wenn der formal zuständige Ansprechpartner eigentlich nur ein einzelner am Gemeinschaftsbetrieb beteiligter Arbeitgeber ist.

Ob sich der Betriebsrat an einen einzelnen Vertragsarbeitgeber oder an den Betriebsarbeitgeber wendet, muss er aber dann wirklich entscheiden, wenn er seine Rechte gerichtlich geltend machen will. Denn gegenüber dem Arbeitsgericht muss der Betriebsrat genau angeben, ob er ein einzelnes Unternehmen oder alle an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen insgesamt in Anspruch nehmen will.

Ob formal gesehen der Vertragsarbeitgeber oder der Betriebsarbeitgeber der richtige Ansprechpartner ist, hängt von der konkreten Angelegenheit ab, um die es geht. Wenn es z.B. um die Beteiligung des Betriebsrats bei einer Eingruppierung geht (§ 99 BetrVG), ist dafür auf Arbeitgeberseite nur der Vertragsarbeitgeber, also der Vertragspartner des betroffenen Arbeitnehmers zuständig. Geht es dagegen um eine Einstellung oder Versetzung, ist der Betriebsarbeitgeber zuständig.

In der folgenden Tabelle haben wir für einige wichtige Rechte des Betriebsrats zusammengestellt, wem gegenüber dem Betriebsrat das jeweilige Recht nach unserer Auffassung zusteht:

Gegenstand des Rechts

BetrVG

Adressat

Übernahme der Kosten des Betriebsrats Kosten der Tätigkeit einzelner BR-Mitglieder (Freistellung, Schulung, Rechtsverfolgung)

§ 37, § 40

Vertragsarbeitgeber

Allgemeine Kosten (Büro, Sachmittel)

§ 40

Betriebsarbeitgeber

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 6, Nr. 7 und Nr. 8

§ 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 6, Nr. 7 und Nr. 8

Betriebsarbeitgeber

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 (Lohngestaltung)

§ 87 Abs. 1 Nr. 10

Vertragsarbeitgeber

Eingruppierung, Umgruppierung

§ 99

Vertragsarbeitgeber

Einstellung, Versetzung

§ 99

Betriebsarbeitgeber

Anhörung bei einer Kündigung

§ 102

Vertragsarbeitgeber

Betriebsänderung: Unterrichtungs- und Beratungsrechte

§ 111

Betriebsarbeitgeber

Betriebsänderung: Interessenausgleich

§ 112

Betriebsarbeitgeber

Betriebsänderung: Sozialplan

§ 112

Vertragsarbeitgeber

Ermittlung von Schwellenwerten im Gemeinschaftsbetrieb

Viele Rechte eines Betriebsrats bestehen erst, wenn im Betrieb oder im Unternehmen eine bestimmte Mindestanzahl an Arbeitnehmern beschäftigt wird. Ab einer Anzahl von 200 Arbeitnehmern im Betrieb hat ein Betriebsrat z.B. das Recht auf die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern (§ 38 BetrVG). Und die Beteiligungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen bestehen beispielsweise erst dann, wenn mehr als 20 Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt werden (§ 99 BetrVG).

Wenn es nach dem Gesetz auf die Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ankommt, zählen bei einem Gemeinschaftsbetrieb alle Arbeitnehmer mit, die dem Gemeinschaftsbetrieb angehören – unabhängig davon, welches Unternehmen Vertragsarbeitgeber der Arbeitnehmer ist.

Wenn es aber auf die Anzahl der im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer ankommt, muss die Frage, welche Arbeitnehmer mitzuzählen sind, bei jedem Beteiligungsrecht gesondert beantwortet werden:

Recht

BetrVG

Schwellenwert

Welche Arbeitnehmer zählen mit?

Eingruppierung, Umgruppierung

§ 99

> 20

nur AN des Vertragsarbeitgebers
Einstellung, Versetzung

§ 99

> 20

alle AN des Gemeinschaftsbetriebs
Betriebsänderung: Unterrichtungs- und Beratungsrechte

§ 111

> 20

alle AN des Gemeinschaftsbetriebs
Betriebsänderung: Hinzuziehung eines Beraters

§ 111

> 300

alle AN des Gemeinschaftsbetriebs
Betriebsänderung: Interessenausgleich

§ 112

> 20

alle AN des Gemeinschaftsbetriebs
Betriebsänderung: Sozialplan

§ 112

> 20

nur AN des Vertragsarbeitgebers

Errichtung eines Wirtschaftsausschusses im Gemeinschaftsbetrieb

In Unternehmen mit mehr 100 Arbeitnehmern ist ein Wirtschaftsausschuss zu errichten (§ 106 Abs. 1 BetrVG). Wenn die an an einem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen mehr als 100 Arbeitnehmer haben, ist der dort jeweils gebildete Wirtschaftsausschuss auch für den Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs zuständig.

Wenn keines der an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen mehr als 100 Arbeitnehmer hat und deshalb dort kein Wirtschaftsausschuss existiert, der Gemeinschaftsbetrieb aber insgesamt mehr als 100 Arbeitnehmer, ist für den Gemeinschaftsbetrieb ein eigener Wirtschaftsausschuss zu bilden.

Auswirkungen der nachträglichen Errichtung eines Gemeinschaftsbetriebs

Ein Gemeinschaftsbetrieb wird häufig nicht von Grund auf neu errichtet, sondern dadurch, dass zwei oder mehr bestehende Betriebe verschiedener Inhaber zu einem gemeinsamen Betrieb zusammengefasst werden. Ein Gemeinschaftsbetrieb kann auch dadurch entstehen, dass ein Betriebsteil eines bestehenden Betriebs auf einen neuen Inhaber übertragen wird und anschließend der gesamte Betrieb von dem ursprünglichen Inhaber und dem Inhaber des übertragenen Betriebsteils als Gemeinschaftsbetrieb fortgeführt wird. In diesen Fällen stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs auf bereits bestehende Betriebsräte und Betriebsvereinbarungen hat.

Auswirkung auf bestehende Betriebsratsgremien

Zusammenlegung bestehender Betriebe

Wenn ein Gemeinschaftsbetrieb durch die Zusammenlegung von Betrieben gebildet wird, verlieren diese Betriebe ihre Identität. Sie gehen in dem neu gebildeten Gemeinschaftsbetrieb auf. Wenn ein Betrieb seine Identität verliert, endet damit das Mandat des bestehenden Betriebsrats für diesen Betrieb. Deshalb endet bei der Zusammenlegung von Betrieben das Amt der in den zusammengelegten Betrieben bestehenden Betriebsräte. Es muss ein neuer Betriebsrat für den Gemeinschaftsbetrieb gewählt werden.

Allerdings kommt es in dem neu gebildeten Gemeinschaftsbetrieb erst einmal trotzdem nicht zu einer betriebsratslosen Zeit. Denn das Gesetz sieht vor, dass einer der Betriebsräte der zusammengefassten Betriebe grundsätzlich bis zur Wahl eines Betriebsrats für den neuen Gemeinschaftsbetrieb im Amt bleibt (vgl. § 21a Abs. 2 BetrVG). Dieses sogenannte Übergangsmandat steht dem Betriebsrat zu, dessen Betrieb nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer der größte Betrieb ist. Wenn nur in einem der zusammengefassten Betriebe ein Betriebsrat besteht, übt dieser Betriebsrat das Übergangsmandat aus.

Der Betriebsrat, der das Übergangsmandat wahrnimmt, bleibt sowohl als Organ als auch in seiner bisherigen personellen Zusammensetzung bestehen und ist für den gesamten neu gebildeten Gemeinschaftsbetrieb zuständig. Er hat alle Rechte und Befugnisse eines Betriebsrats, diese sind nicht etwa in irgendeiner Form eingeschränkt. Insbesondere kann er alle Mitbestimmungsrechte und alle sonstigen Beteiligungsrechte wahrnehmen. Er ist aber verpflichtet, unverzüglich einen Wahlvorstand zur Einleitung der Wahl eines neuen Betriebsrats für den Gemeinschaftsbetrieb zu bestellen.

Das Übergangsmandat endet mit der Wahl eines neuen Betriebsrats, spätestens aber nach 6 Monaten.

Eingliederung eines Betriebs in einen anderen Betrieb

Wenn ein Gemeinschaftsbetrieb dadurch entsteht, dass ein Betrieb eines Unternehmens in den Betrieb eines anderen Unternehmen eingegliedert wird, verliert der eingegliederte Betrieb seine Identität und geht damit unter, während der aufnehmende Betrieb seine Identität bewahrt und damit fortbesteht.

Dies hat zur Folge, dass die Amtszeit des Betriebsrats des eingegliederten Betriebs endet. Wenn in dem aufnehmenden Betrieb bereits ein Betriebsrat besteht, ist dieser Betriebsrat auch für die neu hinzukommenden Arbeitnehmer des eingegliederten Betriebs zuständig. Da es durch die Eingliederung eines Betriebs aber zu einer Erhöhung der Anzahl der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer kommt, sind eventuell nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG Neuwahlen erforderlich. Bis zur Neuwahl bleibt der Betriebsrat aber weiterhin im Amt und führt die Geschäfte weiter (§ 22 BetrVG).

Falls in dem aufnehmenden Betrieb kein Betriebsrat besteht, bleibt der Betriebsrat des eingegliederten Betriebs zunächst im Amt. Er hat ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG (umstritten!).

Übertragung eines Betriebsteils auf einen neuen Inhaber

Wenn ein Gemeinschaftsbetrieb dadurch entsteht, dass ein Betriebsteil eines bestehenden Betriebs auf einen neuen Inhaber übertragen wird und anschließend der gesamte Betrieb als Gemeinschaftsbetrieb fortgeführt wird, bleibt der Betriebsrat des Ursprungsbetriebs im Amt. Grund dafür ist, dass der Ursprungsbetrieb fortgeführt wird und allein dadurch, dass er zu einem Gemeinschaftsbetrieb geworden ist, nicht seine Identität verliert. Denn es hat letztendlich nur eine Änderung in der Betriebsführung stattgefunden. Durch eine Veränderung in der Betriebsführung wird aber die betriebliche Organisationseinheit, für die der Betriebsrat gewählt worden ist, nicht wesentlich berührt.

Auswirkung auf bestehende Betriebsvereinbarungen

Bei der Errichtung eines Gemeinschaftsbetriebs aus bereits bestehenden Betrieben stellt sich auch die Frage, was mit den in den Ursprungsbetrieben geltenden Betriebsvereinbarungen passiert.

Wenn ein Gemeinschaftsbetrieb dadurch entsteht, dass ein Betriebsteil eines bestehenden Betriebs auf einen neuen Inhaber übertragen wird und anschließend der gesamte Betrieb als Gemeinschaftsbetrieb fortgeführt wird, gelten die bisherigen Betriebsvereinbarungen im Gemeinschaftsbetrieb unverändert weiter.

Wenn ein Gemeinschaftsbetrieb durch Zusammenfassung mehrerer Betriebe entsteht, kann die Beantwortung der Frage, was mit den bereits existierenden Betriebsvereinbarungen geschieht schwierig sein: Wenn ein Ursprungsbetrieb nach der Zusammenfassung mit einem anderen Betrieb zu einem Gemeinschaftsbetrieb als organisatorisch abgrenzbare Einheit fortbesteht, kann eine Betriebsvereinbarung für diese organisatorische Einheit weiterhin gelten. Gleiches gilt, wenn eine Betriebsvereinbarung des Ursprungsbetriebs auch nach der Schaffung eines Gemeinschaftsbetriebs weiterhin eindeutig bestimmten Arbeitnehmern zugeordnet werden kann.

Übersicht

Übersicht über die Auswirkungen der nachträglichen Errichtung eines Gemeinschaftsbetriebs:

Fallkonstellation

Auswirkungen auf den Betriebsrat

Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen?

Zusammenlegung mehrerer Betriebe zu einem Gemeinschaftsbetrieb

  • Amt der BR aller zusammengelegten Betriebe endet
  • Übergangsmandat für BR des größten Betriebs (§ 21a BetrVG)

Weitergeltung denkbar:

  1. wenn Ursprungsbetrieb als organisatorisch abgrenzbare Einheit fortbesteht
  2. wenn Betriebsvereinbarung weiterhin eindeutig bestimmten Arbeitnehmern zugeordnet werden kann

Eingliederung eines Betriebs in einen anderen und Fortführung des aufnehmenden Betriebs als Gemeinschaftsbetrieb

  • Amtszeit des BR des eingegliederten Betriebs endet

  • BR des aufnehmenden Betriebs wird für gesamten Gemeinschaftsbetrieb zuständig; eventuell Neuwahlen (§ 13 Abs. 2 Nr.1 BetrVG)

  • Übergangsmandat des BR des eingegliederten Betriebs (§ 21a BetrVG), wenn es im aufnehmenden Betrieb keinen BR gibt

Weitergeltung denkbar:

  1. wenn Ursprungsbetrieb als organisatorisch abgrenzbare Einheit fortbesteht
  2. wenn Betriebsvereinbarung weiterhin eindeutig bestimmten Arbeitnehmern zugeordnet werden kann

Übertragung eines Betriebsteils auf neuen Inhaber

+

Fortführung des gesamten Betriebs als Gemeinschaftsbetrieb

  • BR bleibt im Amt

Ja, Betriebsvereinbarungen gelten unverändert im Gemeinschaftsbetrieb

Rechte des Betriebsrats bei der Errichtung eines Gemeinschaftsbetriebs

Wenn ein Gemeinschaftsbetrieb nicht von Grund auf neu errichtet, sondern aus bereits bestehende Betrieben gebildet wird, können dem Betriebsrat dabei verschiedene Rechte zustehen.

Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses

Die Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs aus einem oder mehreren Betrieben mit bislang jeweils nur einem Inhaber ist eine wirtschaftliche Angelegenheit im Sinne des § 106 BetrVG. Bei der Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs handelt es sich zumindest um einen „sonstigen Vorgang“ im Sinne des § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG. Häufig wird aber auch eine Änderung der Betriebsorganisation im Sinne des § 106 Abs. 3 Nr. 9 BetrVG oder ein Zusammenschluss von Betrieben im Sinne des § 106 Abs. 3 Nr. 8 BetrVG vorliegen.

Wenn ein Arbeitgeber vorhat, einen Gemeinschaftsbetrieb zu bilden, muss er deshalb den Wirtschaftsausschuss unterrichten und die erforderlichen Unterlagen vorlegen (§ 106 Abs. 2 BetrVG). Außerdem muss er die Errichtung des Gemeinschaftsbetriebs mit dem Wirtschaftsausschuss beraten (§ 106 Abs. 1 BetrVG). Der Wirtschaftsausschuss hat anschließend die Aufgabe, den Betriebsrat über die geplante Errichtung eines Gemeinschaftsbetriebs und seine Beratungen mit dem Arbeitgeber zu unterrichten.

Die Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses muss rechtzeitig erfolgen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber den Wirtschaftsausschuss informieren muss, bevor er eine endgültige Entscheidung über die Bildung des Gemeinschaftsbetriebs getroffen hat. Denn der Betriebsrat soll noch Zeit haben, auf die Entscheidungsfindung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen.

Falls kein Wirtschaftsausschuss besteht, weil in dem Unternehmen nicht mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt werden, besteht keine Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nach § 106 Abs. 2 BetrVG gegenüber dem Betriebsrat. Es kommt dann aber ein Informationsanspruch des Betriebsrats nach allgemeinen Regeln in Betracht (§ 80 Abs. 2 BetrVG).

Errichtung eines Gemeinschaftsbetriebs = Betriebsänderung?

Eine besonders wichtige Frage ist, ob die Errichtung eines Gemeinschaftsbetriebs zugleich auch eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG darstellt. Denn wenn dies der Fall ist ist, hat der Betriebsrat grundsätzlich die folgenden Rechte:

  • Rechtzeitige und umfassende Unterrichtung über die geplante Errichtung des Gemeinschaftsbetriebs durch den Arbeitgeber
  • Hinzuziehung eines Beraters (bei mehr als 300 Arbeitnehmern)
  • Beratung der geplanten Errichtung des Gemeinschaftsbetriebs mit dem Arbeitgeber
  • Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über einen Interessenausgleich
  • Aufstellung eines Sozialplans

Wichtig!

Die Frage, ob die Errichtung eines Gemeinschaftsbetriebs eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG darstellt ist von der Frage zu unterscheiden, ob sich dadurch die Identität des Betriebs ändert.

Die Frage, ob die Errichtung eines Gemeinschaftsbetriebs eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG darstellt ist von der Frage zu unterscheiden, ob sich dadurch die Identität des Betriebs ändert. Das Vorliegen einer Betriebsänderung löst bestimmte Rechte des Betriebsrats aus (Interessenausgleich, Sozialplan). Eine Änderung der Betriebsidentität hat hingegen zur Folge, dass die Amtszeit des Betriebsrats endet (allerdings zumeist mit Übergangsmandat).

Wenn ein Gemeinschaftsbetrieb durch den Zusammenschluss bestehender Betriebe errichtet wird, liegt unproblematisch eine Betriebsänderung nach § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG und zumeist auch nach § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG vor.

Wenn ein Gemeinschaftsbetrieb dadurch entsteht, dass ein Betriebsteil eines bestehenden Betriebs auf einen neuen Inhaber übertragen wird und anschließend der gesamte Betrieb als Gemeinschaftsbetrieb fortgeführt wird, kann ebenfalls eine Betriebsänderung vorliegen. Wenn infolge der Übertragung des Betriebsteils neue Leitungsstrukturen geschaffen werden, dürfte dies in der Regel eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG darstellen, so dass eine Betriebsänderung gegeben ist. Wenn der Betrieb aber – bis auf den rein rechtlichen Vorgang der Übertragung eines Betriebsteils auf einen neuen Inhaber – ansonsten unverändert fortgeführt wird, liegt wohl keine Betriebsänderung vor.

Hinzuziehung eines Sachverständigen / Beraters

Wenn die beabsichtigte Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs eine Betriebsänderung darstellt und der Arbeitgeber mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt, hat der Betriebsrat das Recht, zu seiner Unterstützung einen Berater hinzuziehen (§ 111 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Bei der Frage, ob die erforderliche Anzahl von 300 Arbeitnehmern überschritten ist, sind nicht nur die Arbeitnehmer des betroffenen Betriebs, sondern alle Arbeitnehmer des Arbeitgebers – auch aus anderen Betrieben – zu berücksichtigen.

Als Berater kommt z.B. ein Rechtsanwalt in Betracht, der dem Betriebsrat die zum Teil schwierigen rechtlichen Fragen erläutert, die sich bei der Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs ergeben.

Wenn die beabsichtigte Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs keine Betriebsänderung darstellt oder der Arbeitgeber nicht mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt, kann der Betriebsrat das Recht haben, nach vorheriger Vereinbarung mit dem Arbeitgeber einen Sachverständigen hinzuzuziehen (§ 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG).

Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs

Ein gemeinsamer Betrieb kann auch wieder aufgelöst werden. Zu einer Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs kommt es, wenn die an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeber ihre Vereinbarung über die gemeinsame Führung des Betriebs aufheben. Wenn ein Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst wird, stellt sich die Frage, wie sich dies auf den Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs auswirkt und welche Rechte dem Betriebsrat zustehen.

Auswirkung auf den Bestand des Betriebsrats

Wenn der Betrieb nach der Aufhebung der Vereinbarung über die gemeinsame Führung von einem Arbeitgeber fortgeführt wird, bleibt der Betriebsrat grundsätzlich im Amt. Denn solange die Identität des Betriebs fortbesteht, behält der Betriebsrat das ihm durch die Wahl übertragene Mandat zur Vertretung der Belegschaftsinteressen und zur Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben. Und wenn einer von mehreren Arbeitgebern den bisherigen Gemeinschaftsbetrieb allein weiterführt, bleibt die Identität des Betriebs erhalten. Grund dafür ist, dass allein eine Änderung in der Betriebsführung stattgefunden hat. Durch eine Veränderung in der Betriebsführung wird aber die betriebliche Organisationseinheit, für die der Betriebsrat gewählt worden ist, nicht berührt.

Auch wenn die Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs mit der Stilllegung eines Betriebsteils oder mit einer Betriebseinschränkung verbunden ist, bleibt der bisherige Betriebsrat grundsätzlich im Amt. Denn auch die bloße Stilllegung eines Betriebsteils oder eine Betriebseinschränkung haben grundsätzlich keinen Einfluss auf die Betriebsidentität. Wenn es im Zusammenhang mit der Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs zur Stilllegung eines Betriebsteils oder zu einer Betriebseinschränkung kommt, kann dies aber zugleich auch zu einer Verringerung der Anzahl der in dem Betriebs beschäftigten Arbeitnehmer führen. Es ist auch denkbar, dass in der Folge Betriebsratsmitglieder aus ihrem Amt ausscheiden. In solchen Fällen kann dann eine Neuwahl des Betriebsrats nach § 13 Abs. 2. Nr. 1 und/oder Nr. 2 BetrVG erforderlich sein. Bis zur Neuwahl bleibt der bisherige Betriebsrat aber weiterhin im Amt und führt die Geschäfte weiter (§ 22 BetrVG).

Nur wenn sich im Zusammenhang mit der Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs in Folge organisatorischer Änderungen die Identität des Betriebs ändern würde, würde ein neuer Betrieb entstehen. Dann würde auch das Amt des Betriebsrats enden. Der Betriebsrat hätte dann allerdings noch ein Übergangsmandat (vgl. § 21a BetrVG). Der Betriebsrat würde in seiner bisherigen personellen Zusammensetzung bestehen bleiben und wäre für den neuen Betrieb zuständig. Das Übergangsmandat endet mit der Wahl eines neuen Betriebsrats, spätestens aber nach 6 Monaten.

Die Beantwortung der Frage, ob eine Änderung der Betriebsidentität vorliegt, kann im Einzelfall sehr schwierig sein. Wenn aus einem Gemeinschaftsbetrieb z.B. nur ein Betriebsteil ausgegliedert und von einem Arbeitgeber fortgeführt wird, der Gemeinschaftsbetrieb aber im Übrigen erhalten bleibt, ändert sich die Identität des Gemeinschaftsbetriebs nicht. Ein solcher Fall wirkt sich also auf das Bestehen des Betriebsrats nicht aus. Wenn aber ein Gemeinschaftsbetrieb aufgelöst wird und die einzelnen Betriebsbereiche anschließend von den Arbeitgebern getrennt fortgeführt werden, liegt grundsätzlich eine Änderung der Betriebsidentität vor. Das Amt des Betriebsrats endet dann. Der Betriebsrat hat aber hinsichtlich der neuen Organisationseinheiten ein Übergangsmandat (§ 21a BetrVG).

Im Zusammenhang mit der Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs lassen sich u.a. die folgenden Fallkonstellationen unterscheiden:

Fallkonstellation

Änderung der Betriebsidentität?

Folgen für den Bestand des Betriebsrats

Aufhebung der gemeinsamen Führungsvereinbarung

+

Fortführung des gesamten Betriebs durch einen/mehrere Arbeitgeber

nein

  • BR bleibt im Amt

Aufhebung der gemeinsamen Führungsvereinbarung

+

Fortführung des Betriebs durch einen/mehrere Arbeitgeber, aber Stilllegung eines Betriebsteils oder Betriebseinschränkung

nein

  • BR bleibt im Amt
  • eventuell Neuwahl (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG)

Fortführung des Gemeinschaftsbetriebs, aber Ausgliederung eines Betriebsteils und Fortführung dieses Betriebsteils durch einen Arbeitgeber

nein

  • BR bleibt (zunächst) im Amt
  • eventuell Neuwahl (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG)
  • Übergangsmandat für ausgegliederten Betriebsteil (§ 21a BetrVG)

Getrennte Fortführung einzelner Betriebsbereiche durch verschiedene Arbeitgeber

ja

  • Amt des BR endet
  • Übergangsmandat (§ 21a BetrVG)

Rechte des Betriebsrats bei Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs

Bei der Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs handelt es sich um eine wirtschaftliche Angelegenheit im Sinne des § 106 BetrVG. Der Arbeitgeber muss darüber also den Wirtschaftsausschuss unterrichten, der wiederum den Betriebsrat informieren muss.

Darüber hinaus kann mit der Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG einhergehen, z.B. durch

  • eine Betriebseinschränkung (§ 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG),
  • die Stilllegung eines wesentlichen Betriebsteils (§ 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG),
  • die Spaltung des Betriebs (§ 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG) und/oder
  • eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation (§ 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG).

Wenn eine Betriebsänderung vorliegt, hat der Betriebsrat die sich daraus ergebenden Rechte. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat dann umfassend zu unterrichten und der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber eine Beratung über die Betriebsänderung verlangen. Wenn der Arbeitgeber mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt, kann er einen Berater zu seiner Unterstützung hinzuziehen. Der Betriebsrat kann außerdem Verhandlungen über einen Interessenausgleich und die Aufstellung eines Sozialplans verlangen.

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