Informationsbeschaffung durch den Betriebsrat

Artikel Inhalt

Damit der Betriebsrat seine Rechte und Pflichten wahrnehmen kann, ist er auf Informationen angewiesen. Ohne Kenntnis der für die Wahrnehmung seiner Aufgaben relevanten Tatsachen, kann er diese nicht ordnungsgemäß erfüllen. Nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist der Arbeitgeber zwar verpflichtet, von sich aus den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Der Betriebsrat kann sich jedoch häufig nicht darauf verlassen, dass der Arbeitgeber dieser Verpflichtung auch nachkommt. Der Betriebsrat sollte deshalb regelmäßig die Initiative ergreifen und sich selbst die erforderlichen Informationen beschaffen. Dafür stehen ihm verschiedene Mittel zur Verfügung.

Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber

Aus der Pflicht des Arbeitgebers, den Betriebsrat zu informieren, folgt das Recht des Betriebsrats, diese Unterrichtung vom Arbeitgeber verlangen zu können. Dem Betriebsrat steht gegen den Arbeitgeber ein (einklagbarer) Anspruch auf Auskunft zu (§ 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Der Auskunftsanspruch bezieht sich auf alle beteiligungspflichtigen Angelegenheiten und auf die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 BetrVG. Der Anspruch des Betriebsrats auf Auskunft besteht bereits dann, wenn der Betriebsrat klären will, ob er in einer bestimmten Frage tätig werden kann und tätig werden soll. Ausreichend für das Bestehen eines Auskunftsanspruchs ist deshalb das Vorliegen einer gewissen Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Aufgabe des Betriebsrats bestehen kann. Ein Auskunftsanspruch besteht nur dann nicht, wenn ein Beteiligungsrecht oder eine sonstige Aufgabe des Betriebsrats ganz offensichtlich nicht in Betracht kommt. Das Bundesarbeitsgericht prüft das Bestehen eines Auskunftsanspruchs des Betriebsrats in zwei Schritten. Es fragt,
  • ob eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben sein kann und
  • ob die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist.
Liegen beide Voraussetzungen vor, steht dem Betriebsrat ein Auskunftsanspruch zu. Hat der Betriebsrat einen Auskunftsanspruch und erteilt der Arbeitgeber die verlangte Auskunft nicht, kann der Betriebsrat den Auskunftsanspruch im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht durchsetzen.

Anspruch auf Vorlage von Unterlagen

Nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser ihm die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellt. Durch diese Vorlagepflicht soll der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, sich intensiv mit den für die Wahrnehmung seiner Aufgaben relevanten Tatsachen beschäftigen zu können. Auch soll es ihm ermöglicht werden, die Entscheidungen des Arbeitgebers nachvollziehen zu können. Ob eine Pflicht des Arbeitgebers zur Vorlage der verlangten Unterlagen besteht, wird – wie das Bestehen eines Auskunftsanspruchs – zweistufig geprüft. Es ist zu prüfen,
  • ob eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben sein kann und
  • ob die begehrten Unterlagen in diesem Zusammenhang erforderlich sind.

Einsichtnahme in die Gehaltslisten

Eine ganz besondere Art von Unterlagen sind die vom Arbeitgeber geführten Gehaltslisten. Der Betriebsrat hat das Recht, in die vom Arbeitgeber geführten Gehaltslisten Einsicht zu nehmen. Dieses Einsichtsrecht gibt dem Betriebsrat eine weitere Möglichkeit, um an für die Erledigung bestimmter Betriebsratsaufgaben benötigte Informationen zu kommen. Informationen über die Höhe der an die Kollegen gezahlten Gehälter braucht der Betriebsrat insbesondere deshalb, um die Einhaltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kontrollieren zu können.

Betriebliche Auskunftspersonen

Der Arbeitgeber ist nach § 80 Abs. 2 S. 3 BetrVG verpflichtet, dem Betriebsrat sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen. Der Betriebsrat soll dadurch in die Lage versetzt werden, den betriebsintern vorhandenen Sachverstand von Mitarbeitern zu nutzen. Damit der Betriebsrat verlangen kann, dass ihm ein sachkundiger Arbeitnehmer als Auskunftsperson zur Verfügung gestellt wird, muss dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sein. Der Betriebsrat hat das Recht, die Person des auszuwählenden Arbeitnehmers vorzuschlagen. Diesen Vorschlag darf der Arbeitgeber nur ablehnen, wenn der benannte Arbeitnehmer offensichtlich nicht über die benötigte Sachkunde verfügt oder wenn betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen.

Sachverständige, Berater

Die Vorschrift des § 80 Abs. 3 BetrVG gibt dem Betriebsrat die Möglichkeit, bei der Durchführung seiner Aufgaben Sachverständige hinzuzuziehen. Ein Sachverständiger soll dem Betriebsrat Kenntnisse vermitteln, die ihm fehlen, die er aber für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben benötigt. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen kommt immer dann in Betracht, wenn es um Fragen geht, in denen dem Betriebsrat erforderliche Kenntnisse fehlen, z.B. in
  • juristischen,
  • medizinischen,
  • EDV-spezifischen,
  • arbeitswissenschaftlichen oder
  • betriebswirtschaftlichen Fragen.
Sachverständige im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG können deshalb z.B. sein:
  • Rechtsanwälte
  • Mediziner/Arbeitsmediziner
  • EDV-Sachverständige
  • Betriebswirte
  • spezialisierte Berater
Der Betriebsrat darf einen Sachverständigen nur dann hinzuziehen, wenn die Hinzuziehung “erforderlich” ist. Dies ist dann der Fall, wenn dem Betriebsrat die nötige Sachkunde zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung einer konkreten Aufgabe fehlt. Bevor der Betriebsrat nach § 80 Abs. 3 BetrVG einen Sachverständigen hinzuziehen darf, muss er aber immer erst sämtliche zur Verfügung stehenden innerbetrieblichen Möglichkeiten ausschöpfen, sich die fehlenden Kenntnisse zu verschaffen (z.B. nach § 80 Abs. 2 S. 3 BetrVG einen sachkundigen Arbeitnehmer als Auskunftsperson heranziehen). Die Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG setzt weiterhin voraus, dass sich der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber zuvor über Thema, Person des Sachverständigen, Kosten und Zeitpunkt der Hinzuziehung einigt. Wenn keine Einigung mit dem Arbeitgeber zustande kommt, kann der Betriebsrat die Zustimmung des Arbeitgebers zu einer entsprechenden Einigung durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen. Eine weitere Möglichkeit, um auf externen Sachverstand zurückzugreifen, ergibt sich für den Betriebsrat aus § 111 Satz 2 BetrVG. Nach dieser Vorschrift kann der Betriebsrat in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern bei Betriebsänderungen einen Berater hinzuziehen. Im Gegensatz zur Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG ist für die Hinzuziehung eines Beraters nach § 111 Satz 2 BetrVG keine vorherige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber erforderlich.

Kollegen befragen

Eine weitere Möglichkeit für den Betriebsrat, um an die für die Betriebsratsarbeit nötigen Informationen zu kommen, besteht darin, einfach Gespräche mit anderen Arbeitnehmern des Betriebs zu führen. Wir hatten ja schon gesehen, dass der Betriebsrat das Recht hat, Arbeitnehmer mit besonderem Fachwissen zu befragen, wenn der Betriebsrat sich dieses besondere Fachwissen für die Erledigung einer bestimmten Betriebsratsaufgabe zunutze machen will, Stichwort “Betriebliche Auskunftspersonen”. Der Betriebsrat hat aber nicht nur das Recht, Arbeitnehmer mit besonderem Fachwissen als “Betriebliche Auskunftspersonen” zu befragen, sondern der Betriebsrat ist dazu berechtigt, jeden Arbeitnehmer des Betriebs zu befragen, wenn der Betriebsrat damit an eine Information kommen will, die er im Zusammenhang mit einer bestimmten Betriebsratsaufgabe benötigt.

Betriebsbegehung

Der Betriebsrat hat auch die Möglichkeit, eine sogenannte Betriebsbegehung durchzuführen, um an Informationen zu kommen, die der Betriebsrat für die Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt, Dem Betriebsrat steht das Recht zu, regelmäßig von sich aus alle Räume und Bereiche des Betriebs aufzusuchen, in denen Arbeitnehmer arbeiten oder sich sonst aufhalten, um dort die Einhaltung von Vorschriften zu kontrollieren. Solche Kontrollgänge werden auch als “Betriebsbegehungen” bezeichnet. Das Zutrittsrecht des Betriebsrats umfasst auch Bereiche des Betriebs, zu denen nur bestimmte Personen Zugang haben und deren Betreten für “Unbefugte” verboten ist. Auch in diesen Bereichen muss der Betriebsrat kontrollieren können, ob die Vorschriften eingehalten werden. Wenn der Betriebsrat eine Betriebsbegehung durchführen will, braucht er dafür nicht die Zustimmung oder Erlaubnis des Arbeitgebers. Der Betriebsrat muss den Arbeitgeber auch nicht vorher informieren, wenn er eine Betriebsbegehung durchführen möchte. Wenn der Betriebsrat eine Betriebsbegehung vorab beim Arbeitgeber anmelden müsste, könnte dies den Zweck der Betriebsbegehung gefährden, der ja insbesondere darin besteht, Verstöße gegen Vorschriften aufzudecken. Eine vorherige Anmeldung beim Arbeitgeber kann aber dann erforderlich sein, wenn der Betriebsrat besondere Sicherheitsbereiche oder sonstige Bereiche des Betriebs betreten will, zu denen ansonsten nur bestimmte Personen Zugang haben.

Video: 7 Wege, wie der Betriebsrat an wichtige Informationen kommt

Das könnte Dich ebenfalls interessieren:

Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

Kluge(r) Bestseller!

Betriebsrat für Aufsteiger – Das wichtigste Betriebsrat-Wissen
von Dr. jur. Henning Kluge

Das wichtigste Betriebsrat-Wissen – kompakt und leicht verständlich dargestellt auf 241 Seiten. Mit zahlreichen Beispielen aus der Praxis.

Aus dem Inhalt:

Oder versandkostenfrei direkt bei uns bestellen:

Muster & Vorlagen

Hier finden Sie eine umfangreiche Sammlung mit über 150 Mustern & Vorlagen für Ihre Betriebsratsarbeit.

Kluge(r) Tipp! Kostenlos!

Kostenloses eBook
„Rechte & Pflichten der Betriebsratsmitglieder“
von Dr. jur. Henning Kluge

Erhalte kostenlos unser eBook „Rechte & Pflichten der Betriebsratsmitglieder“ als Dankeschön, wenn Du unseren Newsletter abonnierst.
Wir behandeln Deine E-Mail streng vertraulich und geben sie nicht an Dritte weiter!