Aufstellung eines Sozialplans durch die Einigungsstelle

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Wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat in ihren Verhandlungen nicht auf einen Sozialplan einigen können, hat der Betriebsrat die Möglichkeit, die Einigungsstelle anzurufen.

Nach § 112 Abs. 3 Satz 1 BetrVG sollen Arbeitgeber und Betriebsrat der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheit über den Sozialplan machen. Anschießend hat die Einigungsstelle eine Einigung der Parteien zu versuchen.

Kommt auch in den Verhandlungen vor der Einigungsstelle keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Sozialplan zustande, entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung des Sozialplans (§ 112 Abs. 4 Satz 1 BetrVG).

Während Arbeitgeber und Betriebsrat bei der Aufstellung eines Sozialplans grundsätzlich keinen Beschränkungen unterliegen, was die Art und den Umfang der Regelungsgegenstände angeht, ist die Kompetenz der Einigungsstelle beschränkt. Sie darf in dem Sozialplan nur solche Regelungen treffen, die darauf abzielen, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder zu mildern. In einem von der Einigungsstelle aufgestellten Sozialplan dürfen deshalb z.B. keine Leistungen vorgesehen werden, mit denen immaterielle Nachteile ausgeglichen werden sollen.

Das Gesetz macht der Einigungsstelle darüber hinaus weitere Vorgaben, die diese bei der Aufstellung eines Sozialplans zu beachten hat. So hat sie sowohl die sozialen Belange der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten (§ 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG). Außerdem hat sie sich an bestimmten Grundsätzen zu orientieren, die in § 112 Abs. 5 Satz 2 BetrVG aufgezählt sind.

Ober- und Untergrenzen des Sozialplans

Untergrenze

Aus der gesetzlichen Vorgabe, dass die Einigungsstelle die sozialen Belange der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen hat, ergibt sich eine Untergrenze für den Inhalt des Sozialplans. Das Gesetz schreibt zwar kein bestimmtes Mindestvolumen für einen Sozialplan vor. Die Sozialplanleistungen müssen aber zumindest zu einer substantiellen, spürbaren Milderung der den Arbeitnehmern entstehenden wirtschaftlichen Nachteile führen. Ergibt sich aus den von der Einigungsstelle vorgesehenen Sozialplanleistungen keine spürbare Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer, ist der entsprechende Spruch der Einigungsstelle rechtswidrig. Der Betriebsrat kann dann den von der Einigungsstelle aufgestellten Sozialplan – das heißt den entsprechenden Spruch der Einigungsstelle – vor dem Arbeitsgericht anfechten.

Wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens außerordentlich schlecht sind, kann es für die Einigungsstelle aber ausnahmsweise zulässig sein, die Grenze der “spürbaren” Milderung der wirtschaftlichen Nachteile zu unterschreiten.

Obergrenzen

Die Einigungsstelle hat bei der Aufstellung des Sozialplans nicht nur eine Untergrenze, sondern auch Obergrenzen zu beachten. Würde die Einigungsstelle bei der Aufstellung des Sozialplans eine dieser Obergrenzen missachten, könnte der Arbeitgeber den Spruch der Einigungsstelle vor dem Arbeitsgericht anfechten.

Die Einigungsstelle darf den Arbeitnehmern in dem Sozialplan erstens keine weitergehenden Leistungen gewähren, als für den vollen Ausgleich aller durch die Betriebsänderung entstehender wirtschaftlicher Nachteile erforderlich wäre.

Sie muss zweitens auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Sozialplanleistungen für das Unternehmen achten. Wann genau ein Sozialplan (noch) wirtschaftlich vertretbar ist, wird vom Gesetz nicht ausdrücklich vorgegeben. Eine absolute Höchstgrenze gibt es nicht. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an.

Die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit soll nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der Regel dann überschritten sein, wenn die vorgesehenen Sozialplanleistungen zu einer

  • Illiquidität,
  • Überschuldung oder
  • nicht mehr vertretbaren Schmälerung des Eigenkapitals

des Unternehmens führen würden.

Andererseits können nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Sozialplanleistungen, die das Unternehmen bis an den Rand der Bestandsgefährdung bringen, noch wirtschaftlich vertretbar sein.

Von der Einigungsstelle zu beachtende Grundsätze

Innerhalb der festgelegten Ober- und Untergrenzen hat die Einigungsstelle nach billigem Ermessen über den Inhalt des Sozialplans zu entscheiden und sich dabei von bestimmten Grundsätzen leiten zu lassen.

Den Gegebenheiten des Einzelfalls Rechnung tragen

Die Einigungsstelle soll beim Ausgleich bzw. der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile in der Regel den Gegebenheiten des Einzelfalls Rechnung tragen (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BetrVG). Das bedeutet, dass die Einigungsstelle die Sozialplanleistungen möglichst nicht pauschal, sondern an den konkreten Nachteilen des einzelnen Arbeitnehmers orientiert festlegen soll.

Häufig ist es allerdings kaum möglich, die entstehenden wirtschaftlichen Nachteile eines jeden einzelnen Arbeitnehmers genau festzustellen. Deshalb ist eine pauschale Abgeltung der zu erwartenden Nachteile oft unvermeidbar und aus diesem Grund auch zulässig.

Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt und Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten

Nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG hat die Einigungsstelle bei der Festlegung der Sozialplanleistungen die Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Je besser die Chancen der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt sind, desto geringer sollen also die Sozialplanleistungen (insbesondere eine etwaige Abfindung) ausfallen. Umgekehrt sollen die Sozialplanleistungen höher sein, wenn die Chancen der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt schlechter sind.

Die Einigungsstelle soll keine Sozialplanleistungen für solche Arbeitnehmer vorsehen, die in demselben oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder Konzerns weiterbeschäftigt werden können und dies trotz zumutbarer Arbeitsbedingungen ablehnen.

Berücksichtigung der Förderungsmöglichkeiten nach dem SGB III

Die Einigungsstelle soll bei der Aufstellung des Sozialplans die Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit nach dem SGB III berücksichtigen (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2a BetrVG). Bei diesen Förderungsmöglichkeiten geht es insbesondere darum, den Arbeitnehmern zu einer neuen Beschäftigung zu verhelfen.

Keine Gefährdung des Fortbestands des Unternehmens

Die Einigungsstelle hat des Weiteren darauf zu achten, dass durch das Gesamtvolumen des Sozialplans der Fortbestand des Unternehmens und die verbleibenden Arbeitsplätze nicht gefährdet werden (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG).

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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