Interessenausgleich in der Insolvenz

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Auch wenn sich das Unternehmen im Insolvenzverfahren befindet, ist der Arbeitgeber bei einer Betriebsänderung (z.B. bei einer Betriebsstilllegung) dazu verpflichtet, mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich zu verhandeln. Zuständig für die Verhandlungen und den Abschluss des Interessenausgleichs auf Arbeitgeberseite im Insolvenzverfahren ist der Insolvenzverwalter. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt der Insolvenzverwalter an die Stelle des Arbeitgebers.

Gegenüber dem Normalfall gelten im Insolvenzverfahren für die Verhandlungen über einen Interessenausgleich einige Besonderheiten. Diese Besonderheiten haben vor allem den Zweck, die Verhandlungen über einen Interessenausgleich zu beschleunigen.

Bei den Verhandlungen über einen Interessenausgleich außerhalb eines Insolvenzverfahrens hat der Betriebsrat die Möglichkeit, einen Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit zur Vermittlung einzuschalten. Der Arbeitgeber muss sich auf den Vermittlungsversuch der Arbeitsagentur einlassen. Im Insolvenzverfahren ist dies nicht der Fall. Hier findet ein solcher Vermittlungsversuch nur dann statt, wenn der Betriebsrat und der Insolvenzverwalter die Arbeitsagentur gemeinsam um eine Vermittlung ersuchen (§ 121 InsO).

Im Insolvenzverfahren muss nach Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich auch nicht zwingend das Einigungsstellenverfahren durchgeführt werden. Der Insolvenzverwalter darf auch ohne vorheriges Einigungsstellenverfahren die Betriebsänderung durchführen, wenn zwischen ihm und dem Betriebsrat nicht innerhalb von drei Wochen nach Verhandlungsbeginn oder schriftlicher Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen ein Interessenausgleich zustande gekommen ist, er den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über die Betriebsänderung unterrichtet hat und die Zustimmung des Arbeitsgerichts vorliegt (§ 122 InsO).

Die Zustimmung zur Durchführung der Betriebsänderung ohne Einigungsstellenverfahren muss der Insolvenzverwalter beim Arbeitsgericht beantragen. Das Arbeitsgericht prüft dann, ob die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auch unter Berücksichtigung der sozialen Belange der Arbeitnehmer die Durchführung der Betriebsänderung ohne vorheriges Einigungsstellenverfahren erfordert. Dies ist dann der Fall, wenn im Hinblick auf die Durchführung der Betriebsänderung eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt und die durch die Durchführung des Einigungsstellenverfahrens entstehende Verzögerung nicht vertretbar erscheint. Der Betriebsrat sollte sich in diesem Arbeitsgerichtsverfahren von einem Rechtsanwalt vertreten lassen.

Erteilt das Arbeitsgericht dem Insolvenzverwalter seine Zustimmung, kann er die Betriebsänderung auch ohne vorheriges Einigungsstellenverfahren durchführen, ohne dass er Nachteilsausgleichsansprüche der Arbeitnehmer nach § 113 Abs. 3 BetrVG befürchten muss. Bestehen bleibt allerdings die Pflicht zum Abschluss eines Sozialplans. Verweigert das Arbeitsgericht seine Zustimmung, hat der Insolvenzverwalter – wie jeder andere Arbeitgeber auch – die Einigungsstelle anzurufen, um Nachteilsausgleichsansprüche zu vermeiden.

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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