Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses durch den Arbeitgeber

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Nach § 106 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Unternehmer (Arbeitgeber) den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen.

Gegenstände der Unterrichtung

Gegenstand der Unterrichtungspflicht des Unternehmers sind die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens.

Nach § 106 Abs. 3 BetrVG gehören zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten insbesondere

  • die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens,
  • die Produktions- und Absatzlage,
  • Rationalisierungsvorhaben,
  • Fabrikations- und Arbeitsmethoden, insbesondere die Einführung neuer Arbeitsmethoden,
  • Fragen des betrieblichen Umweltschutzes,
  • die Einschränkung oder Stilllegung von Betrieben oder von Betriebsteilen,
  • die Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen,
  • der Zusammenschluss oder die Spaltung von Unternehmen oder Betrieben,
  • die Änderung der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks,
  • die Übernahme des Unternehmens, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle verbunden ist, sowie
  • sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können.

Diese Aufzählung ist nicht abschließend, was sich aus dem Wort “insbesondere” ergibt. Sofern in der Aufzählung etwa von “Produktion” die Rede ist, gilt eine entsprechende Unterrichtungspflicht immer auch dann, wenn das Unternehmen keine Produkte herstellt, sondern Dienstleistungen anbietet.

Wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens (Nr. 1)

Der Unternehmer hat den Wirtschaftsausschuss fortlaufend über die allgemeine wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens zu unterrichten. Dazu gehören z.B. Informationen über die folgenden Punkte:

  • Gewinne, Verluste
  • Auftragsbestand
  • Kosten
  • Versorgungslage mit Roh- und Betriebsstoffen
  • Preisgestaltung
  • Kreditschwierigkeiten

Produktions- und Absatzlage (Nr. 2)

Zur Unterrichtung über die Produktionslage gehören Informationen über die Menge der Güter, die zuletzt produziert worden sind und die in Zukunft produziert werden sollen sowie Informationen über die Auslastung der Produktionskapazitäten.

Zur Unterrichtung über die Absatzlage gehören Informationen über die Zahl der verkauften Güter, den Umsatz usw..

Obwohl das Gesetz nur von “Produktion” und “Absatz” spricht, gilt die Unterrichtungspflicht entsprechend auch für Dienstleistungen.

Produktions- und Investitionsprogramm (Nr. 3)

Mit Produktionsprogramm ist insbesondere gemeint, wie viele Güter welcher Art in Zukunft produziert werden sollen. Auch diese Bestimmung gilt entsprechend für Betriebe, die Dienstleistungen anbieten. Das Produktionsprogramm betrifft im Dienstleistungsbereich die Planung zu Art und Umfang der vom Unternehmen angebotenen Dienstleistungen und damit die Frage, welche Dienstleistungen vom Unternehmen angeboten werden sollen.

Das Investitionsprogramm betrifft die Frage, welche Investitionen kurz-, mittel- und langfristig geplant sind (z.B. Anschaffung neuer Maschinen).

Rationalisierungsvorhaben (Nr. 4)

Zu Rationalisierungsvorhaben zählen alle Maßnahmen, die darauf abzielen, die Effizienz des Betriebs zu verbessern (z.B. durch Verringerung des Arbeitsaufwands, der Arbeitszeit, der eingesetzten Energie, des eingesetzten Materials oder Kapitals). Dabei kann es sich z.B. um die Einführung neuer Technologien, aber auch um organisatorische Veränderungen handeln.

Fabrikations- und Arbeitsmethoden (Nr. 5)

Zur Unterrichtung über die Fabrikationsmethoden gehören z.B. Informationen darüber, welche Herstellungsverfahren künftig eingesetzt werden sollen (z.B. manuelle Herstellung oder Maschinenfertigung).

Zu den Arbeitsmethoden gehören alle Fragen, die die Art und Weise des Einsatzes der menschlichen Arbeitskraft betreffen (z.B. Arbeitszeitfragen, Einzel- oder Gruppenarbeit, Einführung von Telearbeit).

Fragen des betrieblichen Umweltschutzes (Nr. 5a)

Unter betrieblichem Umweltschutz sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen und alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen (§ 89 Abs. 3 BetrVG).

Einschränkung oder Stilllegung von Betrieben oder Betriebsteilen (Nr. 6)

Wie § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG. Ist nur ein Betriebsteil betroffen, kommt es im Unterschied zu § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG aber auf die Größe oder Bedeutung des Betriebsteils nicht an. Die Unterrichtungspflicht des Unternehmers gegenüber dem Wirtschaftsausschuss besteht auch dann, wenn der Betriebsteil klein bzw. unbedeutend ist.

Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen (Nr. 7)

Wie § 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG. Auch hier besteht die Unterrichtungspflicht gegenüber dem Wirtschaftsausschuss allerdings unabhängig davon, wie klein oder unbedeutend der Betriebsteil ist.

Zusammenschluss oder Spaltung von Unternehmen oder Betrieben (Nr. 8)

Wie § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG.

Änderung der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks (Nr. 9)

Wie § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG (siehe dazu auf Seite 18). Die Änderung der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks muss jedoch nicht grundlegend sein, damit die Unterrichtungspflicht gegenüber dem Wirtschaftsausschuss ausgelöst wird.

Übernahme des Unternehmens (Nr. 9a)

Nach § 106 Abs. 3 Nr. 9a BetrVG ist der Wirtschaftsausschuss über die Übernahme des Unternehmens zu unterrichten, wenn mit der Übernahme der Erwerb der Kontrolle verbunden ist. Diese Regelung gilt auch für Unternehmen, die nicht börsennotiert sind. Unerheblich ist außerdem, von wem das Unternehmen übernommen wird.

Sonstige Vorgänge und Vorhaben (Nr. 10)

Nach § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG gehören zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten, über die der Unternehmer den Wirtschaftsausschuss unterrichten muss, alle sonstigen Vorgänge und Vorhaben. Voraussetzung ist, dass diese die Interessen der Arbeitnehmer wesentlich berühren.

Rechtzeitige und umfassende Unterrichtung

Der Unternehmer hat den Wirtschaftsausschuss über die wirtschaftlichen Angelegenheiten rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Die Unterrichtung hat unaufgefordert zu erfolgen. Der Wirtschaftsausschuss muss den Unternehmer nicht um Informationen bitten. Der Unternehmer muss die Unterrichtung von sich aus vornehmen. Tut er dies nicht, begeht er eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann (§ 121 BetrVG).

Rechtzeitige Unterrichtung bedeutet, dass diese erfolgen muss, bevor der Unternehmer endgültige Entscheidungen in diesen Angelegenheiten getroffen hat. Wirtschaftsausschuss und Betriebsrat müssen die Möglichkeit haben, auf die Willensbildung des Unternehmens noch Einfluss nehmen zu können. Sie dürfen vom Unternehmer nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

Die Unterrichtung muss außerdem umfassend, das heißt erschöpfend, sein. Sie muss alle Informationen beinhalten, die der Wirtschaftsausschuss für eine sinnvolle Beratung der jeweiligen Angelegenheit benötigt. Der Wirtschaftsausschuss soll grundsätzlich den gleichen Informationsstand haben wie der Arbeitgeber.

Die Unterrichtung hat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu erfolgen. Zu den vorzulegenden Unterlagen können z.B. der Jahresabschluss, Wirtschaftsprüferberichte, Gutachtern von Beratern, Verträge, Statistiken, Marktanalysen, Organisationspläne usw. gehören.

Unterrichtungspflicht bei Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen

Der Unternehmer ist nicht zu einer Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses über eine wirtschaftliche Angelegenheit verpflichtet, wenn dadurch Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden würden. Ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis liegt vor, wenn Tatsachen, Erkenntnisse oder Unterlagen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen des Arbeitgebers geheimgehalten werden sollen. Der Unternehmer muss außerdem ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung haben, damit von einem echten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis gesprochen werden kann.

Das bloße Vorliegen eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses reicht für ein Entfallen der Unterrichtungspflicht aber nicht aus. Hinzukommen muss, dass das Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis durch die Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses auch tatsächlich gefährdet wird. Dies wird aber nur ausnahmsweise der Fall sein, da die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses – genauso wie die Betriebsratsmitglieder – zur Geheimhaltung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen verpflichtet sind (§ 79 BetrVG). Es kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass diese Geheimhaltungspflicht eingehalten wird.

Besteht zwischen dem Unternehmer auf der einen Seite und dem Wirtschaftsausschuss und dem Betriebsrat auf der anderen Seite eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob durch die Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis gefährdet wird, kann über diese Frage eine Entscheidung der Einigungsstelle herbeigeführt werden.

Unterrichtung der Arbeitnehmer durch den Unternehmer

Mindestens einmal in jedem Kalendervierteljahr hat der Unternehmer nach vorheriger Abstimmung mit dem Wirtschaftsausschuss die Arbeitnehmer über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Unternehmens zu unterrichten (§ 110 BetrVG). In Unternehmen mit mehr als 1000 Arbeitnehmern hat hat die Unterrichtung schriftlich zu erfolgen. In Unternehmen mit bis zu 1000 Arbeitnehmern kann die Unterrichtung auch mündlich erfolgen.

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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