Betriebsratswahl: Die Wahlsysteme – Verhältniswahl und Mehrheitswahl

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Die Betriebsratswahl kann nach zwei unterschiedlichen Wahlsystemen erfolgen. Entweder als Verhältniswahl (Listenwahl) oder als Mehrheitswahl (Personenwahl).

Im normalen Wahlverfahren ist grundsätzlich eine Verhältniswahl durchzuführen. Hiervon gibt es jedoch zwei Ausnahmen. Zum einen ist im normalen Wahlverfahren eine Mehrheitswahl durchzuführen, wenn lediglich eine (gültige) Vorschlagsliste eingereicht worden ist. Dann kann denknotwendig keine Listenwahl durchgeführt werden, da es ja nur eine einzige Liste gibt. Zum anderen besteht in Betrieben mit in der Regel 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern die Möglichkeit, dass Wahlvorstand und Arbeitgeber die Durchführung der Wahl im vereinfachten Wahlverfahren vereinbaren. Da im vereinfachten Wahlverfahren ausschließlich eine Mehrheitswahl durchzuführen ist, kann es auch in Betrieben mit 101 bis 200 Arbeitnehmern zur Mehrheitswahl kommen. Im Übrigen ist die Durchführung der Wahl im vereinfachten Wahlverfahren in Betrieben mit in der Regel bis zu 100 Arbeitnehmern zwingend.

Die Verhältniswahl (Listenwahl)

Die Verhältniswahl wird auch als Listenwahl bezeichnet, weil der Wähler nicht für einen bestimmten Wahlkandidaten stimmt, sondern für eine Vorschlagsliste. Auf den Vorschlagslisten sind in der Regel wiederum mehrere Wahlkandidaten aufgeführt.

Nach den Grundsätzen der Verhältniswahl ist zu wählen, wenn in den Betriebsrat fünf oder mehr Mitglieder zu wählen sind und mindestens zwei gültige Vorschlagslisten eingereicht wurden. Eine Ausnahme wird gemacht, wenn die Wahlen im vereinfachten Wahlverfahren gem. § 14a BetrVG durchzuführen sind. Das ist der Fall, wenn in dem Betrieb regelmäßig nur fünf bis fünfzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind, oder wenn Arbeitgeber und Wahlvorstand in Betrieben mit in der Regel 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern, die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens vereinbart haben.

Bei der Verhältniswahl hat der Wähler nur eine einzige Stimme. Er muss sich bei der Wahl entscheiden, für welche Liste er seine Stimme abgibt. Damit ist die Wahl eines bestimmten Kandidaten nicht möglich.

Wer von den auf einer Vorschlagsliste aufgeführten Wahlkandidaten letztendlich in den Betriebsrat gewählt wird, hängt davon ab, wie viele Stimmen auf die jeweiligen Vorschlagslisten entfallen. Umso mehr Stimmen also auf eine Vorschlagsliste entfallen, desto mehr Wahlkandidaten von dieser Liste kommen in den Betriebsrat. Dabei ist die Reihenfolge, in der die Kandidaten auf einer Liste aufgeführt sind (der Listenplatz) von erheblicher Bedeutung. Der Listenplatz hat nämlich erheblichen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, einen Sitz im Betriebsrat zu erlangen. Je weiter oben ein Kandidat auf der Listen steht (z.B. auf Listenplatz 1, 2, 3 usw.), desto besser stehen die Chancen auf einen Sitz im Betriebsrat.

Wie die Betriebsratssitze auf die jeweiligen Vorschlagslisten verteilt werden, ist in § 15 WO festgelegt. Dort wird das sog. d´Hondt-System beschrieben, nachdem die Sitzverteilung zu berechnen ist. Anhand des Systems sind zunächst Höchstzahlen zu ermitteln und die zu vergebenden Betriebsratssitze dann auf die höchsten ermittelten Zahlen zu verteilen. Im Ergebnis erhält so jede Vorschlagsliste so viele Betriebsratssitze zugeteilt, wie Höchstzahlen auf sie entfallen.

Beispiel 1

Ein Betrieb hat 150 Arbeitnehmer. Der Betriebsrat besteht mithin aus 7 Mitgliedern. Zur Wahl stehen zwei Vorschlagslisten. Auf Liste 1 entfallen insgesamt 90, auf Liste 2 entfallen 60 Stimmen. Wer von welcher Liste in den Betriebsrat gewählt wurde, bestimmt sich wie folgt:

7 Betriebsratssitze sind zu vergeben:

Liste 1 = 90 Stimmen Liste 2 = 60 Stimmen
90 : 1 = 90 (1) 60 : 1 = 60 (2)
90 : 2 = 45 (3) 60 : 2 = 30 (5)
90 : 3 = 30 (4) 60 : 3 = 20 (7)
90 : 4 = 22,5 (6)  60 : 4 = 15

Von Liste 1 sind gewählt die Kandidaten:

1, 2, 3 und 4

Von Liste 2 sind gewählt die Kandidaten:

1, 2 und 3

Beispiel 2

Ein Betrieb hat 150 Arbeitnehmer. Der Betriebsrat besteht mithin aus 7 Mitgliedern. Zur Wahl stehen drei Vorschlagslisten. Auf Liste 1 entfallen insgesamt 70, auf Liste 2 entfallen 50 und auf Liste 3 entfallen 30 Stimmen. Wer von welcher Liste in den Betriebsrat gewählt wurde, bestimmt sich wie folgt:

7 Betriebsratssitze sind zu vergeben:

Liste 1 = 70 Stimmen Liste 2 = 50 Stimmen Liste 3 = 30 Stimmen
70 : 1 = 70 (1) 50 : 1 = 50 (2) 30 : 1 = 30 (4)
70 : 2 = 35 (3) 50 : 1 = 25 (5) 30 : 2 = 15
70 : 3 = 23,33 (6) 50 : 3 = 16,67 30 : 3 = 10
70 : 4 = 17,5 (7) 50 : 4 = 12,5 30 : 4 = 7,5

Von Liste 1 sind gewählt die Kandidaten:

1, 2, 3 und 4

Von Liste 2 sind gewählt die Kandidaten:

1 und 2

Von Liste 3 ist gewählt Kandidat:

1

Sollte die niedrigste in Betracht kommende Höchstzahl auf mehrere Vorschlagslisten zugleich entfallen, entscheidet das Los darüber, welcher Vorschlagsliste der Sitz zufällt, § 15 Absatz 2 Satz 3 WO.

Enthält eine Vorschlagsliste weniger Bewerberinnen oder Bewerber, als Höchstzahlen auf sie entfallen, so gehen die überschüssigen Mitgliedersitze auf die folgenden Höchstzahlen der anderen Vorschlagslisten über, § 15 Absatz 3 WO.

Die Mehrheitswahl (Personenwahl)

Die Betriebsratswahl findet zwingend als Mehrheitswahl statt, wenn gemäß § 14a BetrVG nach den Grundsätzen des vereinfachten Wahlverfahrens zu wählen ist.

Bei der Mehrheitswahl (auch Personenwahl genannt) werden die Stimmen direkt für einzelne Wahlbewerberinnen oder Wahlbewerber abgegeben. Im Gegensatz zur Verhältniswahl erfolgt die Stimmabgabe also nicht für eine Liste.

Des Weiteren hat bei der Mehrheitswahl jeder Wahlberechtigte so viele Stimmen, wie insgesamt Betriebsratssitze zu verteilen sind. Ist also zum Beispiel ein 5-köpfiger Betriebsrat zu wählen, hat jeder Wahlberechtigte 5 Stimmen. Es können aber nicht alle Stimmen für nur eine Wahlbewerberin oder einen Wahlbewerber abgegeben werden (keine Kumulierung). Pro Kandidat kann der Wähler also eine seiner Stimmen vergeben. Dabei ist der Wähler nicht dazu verpflichtet, alle seine ihm zur Verfügung stehenden Stimmen abzugeben. Gibt es zum Beispiel insgesamt 12 Kandidatinnen und Kandiaten und ist ein 5-köpfiger Betriebsrat zu wählen, kann der Wähler auch nur eine seiner Stimmen vergeben. Die restlichen 4 Stimmen würden dann einfach verfallen.

Im Vergleich zur Verhältniswahl hat die Rangfolge an der eine Wahlbewerberin oder ein Wahlbewerber auf einem Wahlvorschlag stehen, keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit, einen Sitz im Betriebsrat zu erlangen. Gewählt sind diejenigen Wahlkandidaten, die von den abgegebenen Stimmen die meisten auf sich vereinen können.

Beispiel

Es ist ein 5-köpfiger Betriebsrat zu wählen. Es gibt insgesamt 10 Kandidatinnen und Kandidaten (A bis J).

Auf die jeweiligen Wahlbewerber/innen entfällt die folgende Anzahl Stimmen:

Listenplatz Wahlbewerber/innen Stimmen
1 A 77
2 B 96 (5)
3 C 154 (1)
4 D 37
5 E 12
6 F 132 (2)
7 G 92
8 H 106 (4)
9 I 83
10 J 113 (3)

Gewählt sind also die Wahlbewerber/innen C, F, J, H und B.

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Die Betriebsratswahl rechtssicher vorbereiten und durchführen.

von Rechtsanwalt Pascal Manthey

Dieses Buch erläutert alle wesentlichen Aspekte einer Betriebsratswahl, von der Bestellung eines Wahlvorstands bis hin zu den Grundzügen einer eventuellen Wahlanfechtung. Perfekt geeignet für die Vorbereitung und Durchführung einer Betriebsratswahl. Sämtliche aktuellen Gesetzesänderungen sind berücksichtigt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz und Änderung der Wahlordnung).

Aus dem Inhalt:

  • Erläuterung wesentlicher Grundbegriffe.
  • Wann kann ein Betriebsrat errichtet werden?
  • Wie wird ein Wahlvorstand bestellt?
  • Normales und vereinfachtes Wahlverfahren
  • Was ist eine Wählerliste und wie wird sie erstellt?
  • Wie wird die Geschlechterquote ermittelt?
  • Was ist ein Wahlausschreiben und welche Inhalte muss es aufweisen?
  • Welche Fristen gibt es zu beachten?
  • Ermittlung des Wahlergebnisses
  • usw.

Damit die Umsetzung in der Praxis gelingt enthält das Buch zahlreiche

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