Die wichtigsten BAG-Entscheidungen zur Arbeitsbefreiung von Betriebsräten

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Betriebsratsmitglieder sind vorübergehend von der Arbeitspflicht befreit, soweit dies zur Erledigung von Betriebsratstätigkeiten erforderlich ist. Hier findet Ihr die wichtigsten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, die Betriebsräte zum Thema Arbeitsbefreiung kennen sollten.

Betriebsratstätigkeit soll nach dem Willen des Gesetzgebers während der Arbeitszeit stattfinden. Und Betriebsratstätigkeit hat grundsätzlich Vorrang vor der „normalen“ Arbeit. Betriebsräte sind deshalb von der Arbeit befreit, wenn und soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Die folgenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zum Thema Arbeitsbefreiung sollten Betriebsräte kennen.

1. Abmelde- und Rückmeldepflicht

Ein Betriebsratsmitglied muss sich vor der Unterbrechung der Arbeit beim Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten abmelden und nach Erledigung der Betriebsratstätigkeit wieder zurückmelden.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29. Juni 2011 – 7 ABR 135/09:

„Grundsätzlich hat sich … das Betriebsratsmitglied, das am Arbeitsplatz während der Arbeitszeit Betriebsratstätigkeit verrichtet, beim Arbeitgeber abzumelden, die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit mitzuteilen und sich nach dem Ende der Arbeitsunterbrechung zurückzumelden.“

2. Keine Angabe zur Art der Betriebsratstätigkeit erforderlich

Wenn ein Betriebsratsmitglied die Arbeit unterbrechen will, muss es dem Arbeitgeber nur den Ort und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit mitteilen. Es muss grundsätzlich keine Angaben zu Art und Inhalt der Betriebsratstätigkeit machen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. März 1995 – 7 AZR 643/94:

„Bei der Abmeldung für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben hat das Betriebsratsmitglied dem Arbeitgeber Ort und voraussichtliche Dauer der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen. Angaben auch zur Art der Betriebsratstätigkeit können nicht verlangt werden.“

3. Keine persönliche Abmeldung erforderlich

Das Betriebsratsmitglied muss sich nicht persönlich abmelden. Auch andere Personen können die Abmeldung vornehmen, z.B. der Betriebsratsvorsitzende.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. Mai 1997 – 1 ABR 2/97:

„Der Arbeitgeber kann eine persönliche Meldung des jeweils betroffenen Betriebsratsmitglieds nicht verlangen. Das Betriebsratsmitglied schuldet dem Arbeitgeber die rechtzeitige und auch sonst ordnungsgemäße Ab- und Rückmeldung. Wie es diese bewirkt, ist seine Sache.“

4. Zustimmung des Arbeitgebers nicht erforderlich

Ein Betriebsratsmitglied braucht nicht die Zustimmung des Arbeitgebers, wenn es die Arbeit unterbrechen will, um eine Betriebsratstätigkeit zu leisten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Juli 1992 – 7 AZR 466/91:

„Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind die Mitglieder eines Betriebsrates von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgeltes zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Hierzu muß sich das Betriebsratsmitglied beim Verlassen des Arbeitsplatzes wie jeder andere Arbeitnehmer abmelden. Allerdings bedarf es keiner Zustimmung des Arbeitgebers zur Arbeitsbefreiung des Betriebsratsmitgliedes im Rahmen von § 37 Abs. 2 BetrVG.“

5. Abmeldepflicht kann entfallen

Ein Betriebsratsmitglied muss sich nicht beim Arbeitgeber abmelden, wenn eine Umorganisation der Arbeit zur Überbrückung des Ausfalls des Betriebsratsmitglieds nicht ernsthaft in Betracht kommt.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29. Juni 2011 – 7 ABR 135/09:

„Ein Betriebsratsmitglied muss sich grundsätzlich bei seinem Arbeitgeber abmelden, bevor es an seinem Arbeitsplatz Betriebsratstätigkeit verrichtet. Das gilt nicht, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls nicht ernsthaft in Betracht kommt, die Arbeitseinteilung vorübergehend umzuorganisieren. Der Arbeitgeber kann dann aber verlangen, dass ihm die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum ausgeübten Betriebsratstätigkeit nachträglich mitgeteilt wird.“

6. Elf Stunden Ruhezeit auch bei Betriebsratstätigkeit

Ein Betriebsratsmitglied muss auch unter Berücksichtigung geleisteter Betriebsratstätigkeit grundsätzlich eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden am Tag haben. Ein Betriebsratsmitglied kann deshalb einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG haben, wenn es ansonsten wegen geleisteter Betriebsratstätigkeit keine elfstündige Ruhezeit bekommen würde.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2017 – 7 AZR 224/15:

„Nimmt ein Betriebsratsmitglied an einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung teil und ist es ihm deswegen unmöglich oder unzumutbar, seine vor oder nach der Betriebsratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten, so hat es insoweit gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung. Bei der Beurteilung, ob und wann einem Betriebsratsmitglied die Fortsetzung der Arbeit wegen einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit bevorstehenden Betriebsratssitzung unzumutbar ist, ist die in § 5 Abs. 1 ArbZG zum Ausdruck kommende Wertung zu berücksichtigen. Deshalb ist ein Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen hat, berechtigt, die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht vor dem Ende der Schicht zu einem Zeitpunkt einzustellen, der eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden am Tag ermöglicht, in der weder Arbeitsleistung noch Betriebsratstätigkeit zu erbringen ist.“

7. Arbeitgeber darf Betriebsratsmitglied nicht die volle Arbeitsmenge zuweisen

Weil ein Betriebsratsmitglied während der Arbeitszeit Betriebsratstätigkeiten erledigen muss, kann es nicht die gleiche Arbeitsmenge bewältigen wie ein Arbeitnehmer ohne Betriebsratsamt. Der Arbeitgeber darf einem Betriebsratsmitglied deshalb grundsätzlich nicht die gleiche Arbeitsmenge zuweisen wie einem Arbeitnehmer ohne Betriebsratsamt.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. Juni 1990 – 7 ABR 43/89:

„Die Freistellungspflicht des Arbeitgebers nach § 37 Abs 2 BetrVG erschöpft sich nicht darin, den Betriebsratsmitgliedern die zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderliche freie Zeit zu gewähren. Auch bei der Zuteilung des Arbeitspensums muß der Arbeitgeber auf die Inanspruchnahme des Betriebsratsmitglieds durch Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit angemessen Rücksicht nehmen.“

8. Arbeitgeber darf Arbeitsbefreiung nicht unter Hinweis auf freigestellte Betriebsratsmitglieder verwehren

Betriebsratsmitglieder haben grundsätzlich auch dann einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung zur Erledigung von Betriebsratstätigkeiten, wenn diese auch von freigestellten Betriebsratsmitgliedern (vgl. § 38 BetrVG) erledigt werden könnten.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 06. August 1981 – 6 AZR 1086/79:

„Weiter verkennt das Landesarbeitsgericht, daß die Erforderlichkeit einer Tätigkeit eines Betriebsratsmitglieds nicht daran gemessen werden kann, ob die Tätigkeit auch durch freigestellte Betriebsratsmitglieder hätte erledigt werden können. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 21. November 1978 darauf hingewiesen, daß es für die Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeit nicht auf die Freistellungsstaffel nach § 38 Abs. 1 BetrVG ankommen kann. Dementsprechend ist es ebenfalls nicht zulässig, ein nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied generell darauf zu verweisen, die von ihm ausgeübte Tätigkeit habe von einem freigestellten Betriebsratsmitglied erfüllt werden können. Zu berücksichtigen ist hier auch, daß jedes Betriebsratsmitglied unabhängig von der Geschäftsverteilung innerhalb des Betriebsrats sein Amt in eigener Verantwortung zu führen hat.“

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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