Anfechtung der Betriebsratswahl: Grund zur Sorge für den Betriebsrat?

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Eine Betriebsratswahl kann vom Arbeitgeber, von einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft und von den Arbeitnehmern des Betriebs angefochten werden. Was bedeutet eine solche Wahlanfechtung für den Betriebsrat? Muss sich der Betriebsrat bei einer Wahlanfechtung Sorgen machen?

von Rechtsanwalt Dr. Kluge, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Hannover

Muss sich der Betriebsrat bei einer Wahlanfechtung sorgen machen?

Wenn man als Betriebsrat Post vom Arbeitsgericht bekommt, weil jemand die Betriebsratswahl angefochten hat, ist das natürlich erst einmal nicht so schön. Denn wenn das Arbeitsgericht dem Anfechtungsantrag stattgeben würde und diese Entscheidung des Arbeitsgerichts rechtskräftig werden sollte, dann wäre der Betriebsrat im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der arbeitsgerichtlichen Entscheidung aufgelöst. Der Betriebsrat würde dann sofort aufhören zu existieren und sämtliche Betriebsratsmitglieder würden ihr Betriebsratsamt verlieren.

Aus zwei Gründen besteht in einer solchen Situation in den allermeisten Fällen für den Betriebsrat aber dann doch kein Grund, sich übermäßig Sorgen zu machen.

Denn erstens hat die erfolgte Anfechtung der Betriebsratswahl noch überhaupt keine Auswirkung auf die Rechtsstellung des Betriebsrats. Trotz der Wahlanfechtung bleibt der Betriebsrat erst einmal mit allen Rechten und Pflichten im Amt. Der Betriebsrat kann also weiterhin ganz normal seiner Arbeit nachgehen.

Und zweitens, der Betriebsrat hat immer die Möglichkeit, seiner Auflösung durch das Arbeitsgericht selbst zuvorzukommen, indem er einfach seinen eigenen Rücktritt beschließt.

Betriebsrat bleibt zunächst mit allen Rechten und Pflichten im Amt

Wenn die Betriebsratswahl angefochten wird, hat dies zunächst einmal überhaupt keine Auswirkung auf die Rechtsstellung des Betriebsrats. Der Betriebsrat ist trotz der Wahlanfechtung weiterhin in Amt und kann ganz normal seine Arbeit weitermachen.

Erst wenn das Arbeitsgericht dem Anfechtungsantrag stattgeben sollte, weil bei der Betriebsratswahl gegen eine wesentliche Wahlvorschrift verstoßen wurde, und diese Entscheidung des Arbeitsgerichts rechtskräftig werden sollte, wäre der Betriebsrat aufgelöst. Bis es so weit ist, wird aber auf jeden Fall einige Zeit vergehen. Denn eine gerichtliche Entscheidung wird erst dann rechtskräftig, wenn sie nicht mehr mit einem Rechtsmittel angefochten werden kann. Und die Entscheidung eines Arbeitsgerichts kann der Betriebsrat mit einer Beschwerde beim Landesarbeitsgericht angreifen und die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zumindest mit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht.

Insgesamt kann man bei einem Wahlanfechtungsverfahren von einer Verfahrensdauer von mindestens eineinhalb oder zwei Jahren ausgehen, bevor es rechtskräftig abgeschlossen ist. Für diesen Zeitraum ist der Betriebsrat also in jedem Fall weiterhin im Amt, selbst wenn die Wahl aufgrund von Verstößen gegen wesentliche Wahlvorschriften unwirksam sein sollte.

Betriebsrat kann seine Auflösung selbst verhindern

Der zweite Grund, warum sich ein Betriebsrat grundsätzlich keine übermäßigen Sorgen machen muss, wenn jemand die Betriebsratswahl angefochten hat, besteht darin, dass der Betriebsrat die Möglichkeit hat, seiner Auflösung durch das Arbeitsgericht selbst zuvorzukommen, indem er einfach seinen eigenen Rücktritt beschließt.

Durch seinen eigenen Rücktritt kann der Betriebsrat verhindern, dass er durch eine gerichtliche Entscheidung aufgelöst wird, weil eine solche gerichtliche Entscheidung gegenstandslos wird, wenn vor Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung ein neuer Betriebsrat gewählt worden ist. Und zu einer solchen Neuwahl kommt es relativ zeitnah, nachdem der Betriebsrat seinen Rücktritt beschlossen hat, weil der Betriebsrat unverzüglich nach seinem Rücktritt einen Wahlvorstand bestellen muss, der die Neuwahl einleitet.

Der Betriebsrat kann mit seinem Rücktritt sogar verhindern, dass das Arbeitsgericht überhaupt zu seinem Nachteil entscheidet, selbst wenn bei der Wahl gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen worden sein sollte. Denn wenn ein neuer Betriebsrat gewählt worden ist, bevor das Arbeitsgericht über die Wahlanfechtung entschieden hat, fehlt den Anfechtenden für die Wahlanfechtung das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Das Gerichtsverfahren wird dann in der Regel ohne Entscheidung des Gerichts eingestellt.

Der Betriebsrat bleibt übrigens nach seinem Rücktritt bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses des neuen Betriebsrats mit allen Rechten und Pflichten im Amt und kann also auch in dieser Zeit ganz normal seiner Arbeit nachgehen.

Grund zur Sorge nur bei eventueller Nichtigkeit der Wahl

Einen echten Grund zur Sorge hat der Betriebsrat aber ausnahmsweise dann, wenn nicht nur eine Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl im Raum steht, sondern die Nichtigkeit der Wahl. Denn wenn die Betriebsratswahl nicht nur anfechtbar, sondern nichtig ist, dann existiert der neu gewählte Betriebsrat in rechtlicher Hinsicht gar nicht. Und dann ist der neu gewählte Betriebsrat natürlich auch nicht berechtigt, die Aufgaben eines Betriebsrats wahrzunehmen. Einen Betriebsrat, der rechtlich gar nicht existiert, muss der Arbeitgeber auch gar nicht beachten.

Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl liegt aber nur in ganz seltenen Ausnahmefällen wirklich einmal vor. Damit eine Betriebsratswahl nichtig ist, muss in so hohem Maße gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts verstoßen worden sein, dass nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Betriebsratswahl vorliegt.

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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