Warum braucht man überhaupt einen Betriebsrat?

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Die meisten wissen, dass der Betriebsrat von der Belegschaft eines Betriebs gewählt wird und seine Aufgabe darin besteht, die Interessen der Arbeitnehmer des Betriebs zu vertreten. Aber was sind die Gründe dafür, dass sich der Gesetzgeber in Deutschland dazu entschieden hat, die Institution Betriebsrat zu schaffen? Was genau sind die konkreten Aufgaben eines Betriebsrats? Und wie kann man Kollegen davon überzeugen, dass es äußerst sinnvoll ist, einen Betriebsrat zu haben?

Einen Betriebsrat braucht man vor allem aus den folgenden drei Gründen:

  1. Damit die Belegschaft bei Entscheidungen mitreden kann, die der Arbeitgeber ansonsten allein treffen würde (also zum Mitentscheiden).
  2. Zur Überwachung des Arbeitgebers, damit dieser sich an Gesetze und Vorschriften hält.
  3. Zur sozialverträglichen Gestaltung von Umstrukturierungsmaßnahmen.

Zum Mitentscheiden

Der Arbeitsvertrag ist eine Vertragsart mit vielen Besonderheiten. Eine Besonderheit besteht darin, dass die geschuldete Leistung der einen Vertragspartei, die des Arbeitnehmers, im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben ist. Entweder wird im Arbeitsvertrag einfach nur ein Berufsbild angegeben. Oder es wird ein mehr oder weniger allgemeiner Tätigkeits- oder Aufgabenbereich genannt.

Beispiele

(1) „Der Arbeitnehmer wird eingestellt als Lagermitarbeiter.“

(2) „Der Arbeitnehmer wird für die Erledigung der im Lager anfallenden Arbeiten angestellt.“

Was genau der Arbeitnehmer dann aber tun soll, zu welchen Uhrzeiten und an welchem konkreten Arbeitsplatz oder Arbeitsort er arbeiten soll, steht in der Regel nicht im Arbeitsvertrag. Diese Punkte kann der Arbeitgeber allein bestimmen. Denn dem Arbeitgeber steht gegenüber seinen Arbeitnehmern ein Weisungsrecht zu. Aufgrund seines Weisungsrechts ist der Arbeitgeber berechtigt, dem Arbeitnehmer Weisungen zu erteilen. Das Weisungsrecht bezieht sich auf den Ort, die Zeit und den Inhalt der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistungen. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer aufgrund seines Weisungsrechts sagen, wo, wann und was genau der Arbeitnehmer tun soll.

Beispiele

(1) Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer sagen, dass er zukünftig nicht mehr in der Halle 1 in der Abteilung Wareneingang arbeiten soll, sondern in der Halle 2 im Warenausgang.

(2) Der Arbeitgeber kann vom Arbeitnehmer verlangen, dass er am Montag um 06:00 Uhr mit der Arbeit beginnen und um 09:00 Uhr eine Pause von 15 Minuten machen soll.

(3) Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer vorschreiben, dass er bei der Arbeit Arbeitskleidung mit dem Firmenlogo des Arbeitgebers tragen soll.

Wenn es keinen Betriebsrat gibt, haben die Arbeitnehmer bei all diesen Fragen kein Mitspracherecht. Der Arbeitgeber kann allein entscheiden.

Wenn es einen Betriebsrat gibt, darf der Arbeitgeber viele Fragen nicht mehr allein entscheiden. Er muss stattdessen den Betriebsrat mit einbeziehen.

Beispiel

Ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber allein entscheiden, an welchen Tagen pro Woche gearbeitet wird (z. B. montags bis freitags oder montags bis samstags), um wieviel Uhr die Arbeit an einem Tag beginnt (z. B. um 6 Uhr oder um 9 Uhr) und um wieviel Uhr sie endet. Besteht ein Betriebsrat, muss der Arbeitgeber diese Fragen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat regeln.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben bei den Entscheidungen, die der Arbeitgeber aufgrund seines Weisungsrechts allein treffen kann, häufig unterschiedliche Interessen. Die Beteiligung des Betriebsrats an diesen Entscheidungen soll zu einem gerechteren Ausgleich der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmern führen. Sie soll sicherstellen, dass bei den Entscheidungen nicht nur die Interessen des Arbeitgebers, sondern eben auch die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Außerdem soll die Mitsprache des Betriebsrats die Akzeptanz der getroffenen Entscheidungen in der Belegschaft erhöhen.

Zur Überwachung des Arbeitgebers

Es gibt viele Gesetze, die Regeln enthalten, welche die Arbeitnehmer schützen sollen. Ein Beispiel für ein solches Gesetz ist das Arbeitszeitgesetz. Das Arbeitszeitgesetz enthält Regelungen, die die Arbeitnehmer vor Überlastungen schützen sollen. Es schreibt beispielsweise vor, dass ein Arbeitnehmer zwischen zwei Arbeitstagen eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden haben muss. Was bringen aber die schönsten Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber sich nicht daran hält?

Ein Betrieb ist eine Einrichtung, in die von außen erst einmal niemand so richtig Einblick hat. Wenn der Arbeitgeber sich nicht an arbeitnehmerschützende Gesetze hält, gibt es deshalb häufig niemanden, der dagegen vorgeht. Nur in seltenen Fällen wird ein Arbeitgeber einmal vom Gewerbeaufsichtsamt in dieser Hinsicht kontrolliert. Und die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer werden den Arbeitgeber oftmals nicht auf Gesetzesverstöße hinweisen, sei es wegen fehlender Kenntnis der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften, sei es aus Angst vor der Reaktion des Arbeitgebers.

Der Gesetzgeber hat deshalb dem Betriebsrat die Aufgabe übertragen, darauf zu achten, dass der Arbeitgeber sich an die Vorschriften hält, die zum Schutz der Arbeitnehmer erlassen worden sind. Betriebsratsmitglieder lernen während ihrer Amtszeit, welche gesetzlichen Regeln es gibt, an die sich der Arbeitgeber halten muss. Außerdem müssen Betriebsratsmitglieder keine Angst vor Sanktionen des Arbeitgebers haben, wenn sie von diesem verlangen, dass er sich an die Vorschriften hält. Denn Betriebsratsmitglieder haben einen sehr stark ausgeprägten Kündigungsschutz. Darüber hinaus ist es dem Arbeitgeber ausdrücklich verboten, Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Betriebsratstätigkeit zu benachteiligen.

Zur sozialverträglichen Gestaltung von Umstrukturierungsmaßnahmen

Der vielleicht wichtigste Grund für das Bestehen eines Betriebsrats, mit dem man auch solche Arbeitnehmer von der Sinnhaftigkeit eines Betriebsrats überzeugen kann, die mit diesem Thema erst einmal nicht viel anfangen können, kommt nur in Ausnahmefällen zum Tragen. Und zwar dann, wenn der Arbeitgeber sich zu Maßnahmen entschließen sollte, die dazu führen, dass eine größere Anzahl an Arbeitnehmern ihren Arbeitsplatz verliert oder sonstige wirtschaftliche Nachteile erleidet.

Auch wenn das Kündigungsschutzgesetz es den Arbeitgebern häufig sehr schwer macht, ein Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung zu beenden, gibt es Fallkonstellationen, in denen ein Arbeitgeber doch relativ einfach kündigen kann.

Beispiele

(1) Die Express Logistik GmbH betreibt ein Lager für Kfz-Teile in der Nähe von Hamburg. Nachdem der größte Kunde erklärt hat, seinen Vertrag nicht mehr verlängern zu wollen, entscheidet die Geschäftsleitung, den Betrieb zum Jahresende vollständig zu schließen. Allen 200 Arbeitnehmern soll deshalb gekündigt werden.

(2) Die NoRisk Versicherung AG unterhält an ihrem Standort in Hannover eine eigene IT-Abteilung mit rund 30 Mitarbeitern. Insgesamt sind an diesem Standort 450 Mitarbeiter beschäftigt. Die Geschäftsleitung entscheidet, sämtliche der bislang von der IT-Abteilung erledigten Aufgaben an externe Dienstleister zu vergeben. Den 30 Mitarbeitern der IT-Abteilung soll gekündigt werden.

In den Beispielsfällen haben die Arbeitgeber Entscheidungen getroffen, die dazu führen, dass sie für einige oder sogar für sämtliche Arbeitnehmer ihres Betriebs keine Arbeit mehr haben. Arbeitgeber haben in solchen Fällen einen betriebsbedingten Kündigungsgrund. Sie können, den betroffenen Arbeitnehmern rechtswirksam kündigen. Die Arbeitnehmer würden durch die Kündigung ihren Arbeitsplatz verlieren und hätten noch nicht einmal einen Anspruch auf eine Abfindung. Sie könnten zwar eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Wenn der Arbeitgeber aber keinen Fehler gemacht hat, hätte diese Klage jedoch in der Regel wenig Aussicht auf Erfolg. Und auch das Aushandeln einer Abfindung wäre dann kaum möglich. Die Arbeitnehmer würden also mit leeren Händen nach Hause gehen.

Ganz anders ist die Situation in einem Betrieb mit Betriebsrat. Gibt es einen Betriebsrat, würde der Betriebsrat in derartigen Fällen mit dem Arbeitgeber über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan verhandeln. Bei den Verhandlungen über einen Interessenausgleich würde es um die Frage gehen, ob die vom Arbeitgeber geplanten Maßnahmen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen würden, tatsächlich so umgesetzt werden sollen oder nicht. Sollen die Maßnahmen – gegebenenfalls in modifizierter Form – umgesetzt werden, könnte der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Aufstellung eines Sozialplans verlangen. In dem Sozialplan würden dann Abfindungen für die Kollegen festgeschrieben werden, die ihren Arbeitsplatz verlieren.

Beispiel

Die Express Logistik GmbH schließt ihren Standort in Hamburg. Arbeitgeber und Betriebsrat legen in einem Sozialplan fest, dass die von der Betriebsschließung betroffenen Arbeitnehmer eine Abfindung nach der Grundformel „Bruttomonatsgehalt x 1,0 x Jahre der Betriebszugehörigkeit“ bekommen.
In diesem Beispielsfall würde also ein entlassener Arbeitnehmer mit einem Bruttomonatsgehalt von 2.500,- Euro, der 20 Jahre im Betrieb beschäftigt war, eine Abfindung in Höhe von 50.000,- Euro brutto bekommen. Wäre dieser Arbeitnehmer in einem Betrieb ohne Betriebsrat beschäftigt, würde er voraussichtlich mit leeren Händen nach Hause gehen.

Aber Vorsicht: Wer jetzt auf die Idee kommt, mit der Gründung eines Betriebsrats einfach abzuwarten, bis eine Situation, in der ein Sozialplan in Betracht kommt, konkret ansteht, muss an dieser Stelle enttäuscht werden. Denn ein Arbeitgeber kann nur dann zum Abschluss eines Sozialplans gezwungen werden, wenn es in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber den Entschluss zu der Umstrukturierungsmaßnahme gefasst hat, bereits einen Betriebsrat gab. Wird der Betriebsrat erst später gegründet, besteht für den Arbeitgeber keine Pflicht, einen Sozialplan abzuschließen.

Video: „Warum braucht man einen Betriebsrat?“

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Autor: Dr. jur Henning Kluge

Dr. Henning Kluge ist Rechtsanwalt und Fachwanwalt für Arbeitsrecht. Er berät und unterstützt Betriebsräte bei rechtlichen Fragen und bei Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber.

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